Spahns Apothekenversorgungsgesetz belastet Praxisalltag
Unser aktueller Bundesgesundheitsminister packt Dinge an, die ganze Vorgänger- Generationen immer wieder auf die lange Bank geschoben haben. So gesehen muss man ihn auch mal loben. Sein Aktionismus trägt aber auch die Handschrift von Beratern, die Sachkunde signalisieren – sie aber nicht wirklich haben.
Aktuell muss sich der Bundestag also mit dem Entwurf des Apothekenversorgungsgesetzes beschäftigen. Umstritten dürfte insbesondere der geplante Schutz deutscher Apotheken vor der europäischen Konkurrenz der Versandapotheken sein. Inwieweit sich dieses nationale Gesetz mit EU-Recht vereinbaren lässt, könnte noch Gegenstand von Beratungen am europäischen Gerichtshof sein. Zwei Elemente des neuen Gesetzes tangieren aber auch das Innenverhältnis zwischen Apothekern und Ärzten in nicht akzeptabler Weise:
- Im § 31 SGB V wird nach Absatz 1a folgender Absatz 1b eingefügt: „Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einembestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen durch Apotheken beliefert werden.“
- Im neu geschaffenen § 132i SGB V wird geregelt: „Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit Apotheken, Gruppen von Apotheken oder mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene Verträge über die Durchführung von Modellvorhaben in ausgewählten Regionen zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, in Apotheken mit dem Ziel der Verbesserung der Impfquote schließen.“
In beiden Fällen wird Apothekern ein Eingriff in bisher ausschließlich Ärzten vorbehaltene Handlungen gewährt. Auf den ersten Blick sieht das wie ein Kompetenzentzug aus. Wichtig ist aber, dass tatsächlich die eigentliche Kompetenz in ärztlicher Hand bleibt und dem Apotheker lediglich nach ärztlichem Ermessen die Möglichkeit eröffnet wird, als Erfüllungsgehilfe des Arztes tätig zu werden. Diese Kompetenz müssen wir künftig aber auch konsequent entfalten! Damit dieser – für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte positive – Ansatz sich auch in der hausärztlichen Praxis in diese Richtung auswirkt, bedarf es also einer „Strategie“ bei der Umsetzung der gesetzlichen Neuerungen.
Wiederholungsrezepte gibt es nur bei DMP-Einschreibung!
Die Möglichkeit, Wiederholungsrezepte auszustellen, gibt es im Bereich der Privatverordnung bereits so, wie sie nun auch für den gesetzlichen Bereich vorgesehen ist. Auf den ersten Blick könnte sich diese neue Möglichkeit bei der Versorgung von chronisch Kranken negativ auswirken. Nämlich dann, wenn die Patienten die Möglichkeit bekommen, ihre Dauermedikamente bis zu dreimal auf dem gleichen Rezept über einen Zeitraum von einem Jahr verordnet zu bekommen, ganz unkontrolliert. Entscheidend ist hier aber der Vorbehalt, dass die Ausstellung eines solchen Rezeptes in der Verantwortung des Arztes liegt. So gesehen könnte diese Möglichkeit bei chronisch Kranken zu einer bürokratischen Entlastung der Praxis führen. Und gleichzeitig bestünde die Möglichkeit, die notwendigen Kontrollen bei solchen Patienten mit dieser Neuerung sinnvoll zu verknüpfen.
Denn natürlich wäre es fatal, wenn ein Chroniker nur noch in großen Abständen in die Praxis käme. Aus der notwendigen ärztlichen Sorgfaltspflicht heraus könnte man aber die Ausstellung eines solchen Wiederholungsrezeptes von der Einschreibung in ein DMP oder die Vorstellung nach Maßgabe der Chronikerleistungen nach den Nrn. 03220/03221 EBM abhängig machen. Und so sogar für eine bessere und gezielte Verlaufskontrolle bei solchen Patienten sorgen. Und denkbar wäre dann auch, aus der Diktion dieses Paragraphen heraus endlich eine Regelung beim Ansatz der Nrn. 03220/03221 EBM zu schaffen, die dem Krankheitsbild Rechnung trägt und nicht auf willkürlich festgelegte Vorstellungstermine pocht.
Grippeschutzimpfung: Bei Folgen soll Apotheker zahlen
Ob und inwieweit Kassen Verträge mit Apothekerorganisationen schließen und als Modellvorhaben Apotheker zu Impfenden gemacht werden, ist abzuwarten. Wichtig ist, dass Apotheker nur impfen dürfen, wenn sie vorher ärztlich geschult werden. Viele Apotheker werden sich auch überlegen, ob der Umsatz aus solchen Leistungen in Relation steht zu den erhöhten Ausgaben für die Haftpflichtversicherung.
Im Vorfeld muss auch klar sein, dass der Apotheker bei einer solchen Maßnahme die Kosten für eventuelle Folgeerkrankungen persönlich tragen muss. Hier wird eine ärztliche Leistung durch Nicht-Ärzte auf der Grundlage von Verträgen der Kassen mit nicht-ärztlichen Organisationen erbracht. Die Behandlung von Folgeerkrankungen, wie z.B. der nicht selten zu erwartenden Impfreaktion, ist dann Privatsache. Eine Privatrechnung an den Patienten oder ggf. direkt an den Apotheker könnte in solchen Fällen „heilende Wirkung“ entfalten.