App soll Wartezeiten verringern und COVID-19-Impfstoff-Dosen retten

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Isabel Aulehla

Solche Szenen könnten in Zukunft mithilfe von Apps vermieden werden. Solche Szenen könnten in Zukunft mithilfe von Apps vermieden werden. © Racle Fotodesign – stock.adobe.com

Wer lange im Wartezimmer sitzt, kann sich leicht mit Viren infizieren. In Hessen testet man daher eine App, die es Nutzern erlaubt, die Zeit sinnvoller zu verbringen. Sie könnte auch MFA erheblich entlasten.

In der Pandemie gilt es bekanntlich, das Wartezimmer möglichst leer zu halten. Helfen könnte dabei bald die App „Wart‘s Ab“, die vom Start-Up „MyEPA UG“ entwickelt wurde. Auch das Terminmanagement könnte sie vereinfachen – sei es bei offenen Sprechstunden oder COVID-19-Impfungen. 

Das Prinzip ist schlicht: Kommt ein Patient in die Praxis, der noch warten muss, kann er auf seinem Smartphone die Patienten-Version der App installieren, einen Code abscannen und sich wieder nach draußen begeben. Sobald der Termin realistisch möglich wird, erhält er die Nachricht, dass er sich zurückbegeben kann. 

Dauer des Rückwegs zur Praxis wird einkalkuliert

Damit dies funktioniert, muss das Team nur wenige Informationen in die Praxis-Version der Anwendung eingeben – etwa, wie lange der Patient für den Rückweg zur Praxis brauchen wird. „Die Fachangestellten sind im Zeitmanagement ohnehin routiniert, die Bedienung der App ist kein Problem für sie“, berichtet Dr. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen sowie Anästhesist und Intensivmediziner. Er erprobt die App bereits seit Mitte Dezember in seiner Gemeinschaftspraxis für Schmerztherapie. „Unter unseren älteren Patienten sind Smartphones zwar nicht allzu verbreitet. Diejenigen, die eines haben, nehmen die App aber gut an und sind sehr zufrieden damit,“ berichtet er. Auch die Begleitpersonen seien froh, wenn sie nicht im Wartezimmer sitzen müssten. 

Bei der Terminvereinbarung per Telefon kann die Anwendung ebenfalls genutzt werden. Beispiel: Ein Patient erbittet akut den nächstmöglichen Termin, er braucht etwa 20 Minuten zur Praxis. Wird ein passender Slot frei, informiert ihn das Team per App 20 Minuten vorab darüber, dass er sich auf den Weg machen kann. Voraussetzung ist, dass er einen Zifferncode in sein Smartphone eintippt, scannen kann er ihn aus der Ferne schließlich nicht. 

Patienten bleiben völlig anonym

In Sachen Datenschutz ist die App unbedenklich, darauf legen die Entwickler rund um Projektleiter Professor Dr. Thomas Friedl großen Wert. Der Nutzer bleibt anonym: „Auch wenn der Wart‘s-Ab-Server gehackt würde, könnte er nur Ziffernfolgen anbieten. Auch wir, als Betreiber des Systems, könnten nie erfahren, wer, wann, warum und wohin geht,“ betont Prof. Friedl.  Um die Anwendung nutzen zu können, benötigen Praxen derzeit ein Tablet – die Entwickler arbeiten jedoch schon an einer weniger voraussetzungsreichen Variante, die mittels normalem PC-Browser bedient werden kann. Bei Terminvereinbarungen müssen die MFA den Namen des Patienten außerdem noch per Hand eingeben. „Eine pragmatische Lösung wäre es, wenn die App in die Praxisverwaltungssys­teme implementiert würde“, erklärt Dr. Pinkowski.  Auch die Entwickler haben bereits Größeres im Sinn: „Es wäre denkbar, der App Zugriff auf den Terminkalender der Praxis zu gewähren und Patienten grundsätzlich eine Wart‘s-Ab-ID zuzuteilen“, erklärt Prof. Friedl. „Wenn sich im Praxisablauf dann etwa eine unvorhergesehene Verzögerung von einer Stunde ergibt, informiert die App Patienten automatisch über die Terminverschiebung. Die Mitarbeiter müssen also nicht mühsam telefonieren.“ Der Datenschutz sei auch hierbei gewährleistet, berichtet der Experte. Man sei bereits mit einigen Softwareherstellern im Gespräch. Derzeit tut sich sogar ein gesellschaftlich noch relevanteres Anwendungsgebiet von „Wart‘s Ab“ auf: Die Vergabe von Terminen für die Immunisierung gegen COVID-19 in den Impfzentren gilt als wenig geordnet. So ist etwa die Rufnummer 116 117 überlastet. Das Team rund um Prof. Friedl hat dem Land Hessen daher vorgeschlagen, die App und den zugehörigen Server für die Organisation und Verwendung nicht stattgefundener Termine zu nutzen. „Das hätte auch den Vorteil, dass die Impfstoff-Dosen, die abends teilweise aufgrund ausgefallener Termine entsorgt werden müssen, unkompliziert vergeben werden können. Derzeit warten die Menschen auf den Parkplätzen und hoffen auf ihr Glück, oder aber nicht verimpftes Material wird sogar vernichtet “, gibt Prof. Friedl zu bedenken. Eine Rückmeldung der Politk gibt es bislang allerdings noch nicht. 

Mediziner für die Testphase gesucht

Bis April befindet sich die Anwendung vorerst in einer Pilotphase: 60 Praxen, zunächst noch aus Hessen, können sie testen. Danach wird evaluiert. Ärzte, die teilnehmen möchten, können sich bei der THM melden. Dr. Pinkowski ist optimistisch. „Wir werden das Projekt weiterhin wohlwollend begleiten“, sagt er. Finanziell gefördert wird das Vorhaben von der Techniker Krankenkasse und dem hessischen Ministerium für Soziales und Integration.

Medical-Tribune-Bericht

Patienten können anhand eines Timers sehen, wie viel Zeit ihnen noch bis zum Termin bleibt. Patienten können anhand eines Timers sehen, wie viel Zeit ihnen noch bis zum Termin bleibt. © MyEPA UG, iStock/OnstOn