Interview „Gelebte Kooperationen weiter stärken!“

Autor: Angela Monecke

Dr. Michael Eckhard ist 1. Sprecher der DDG-Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß. Im Interview verdeutlicht er, wie wichtig die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der DFS-Versorgung ist.
Dr. Michael Eckhard ist 1. Sprecher der DDG-Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß. Im Interview verdeutlicht er, wie wichtig die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der DFS-Versorgung ist. © REDPIXEL – stock.adobe.com / Schaper für GZW

Eine aktualisierte Fort- und Weiterbildung, eine neue Zertifizierung und ein Jubiläum. Dr. Michael Eckhard, Vorsitzender der AG Diabetischer Fuß der DDG, über die Chancen und Herausforderungen bei der Versorgung des DFS.

Herr Dr. Eckard, welche Versorgungsfragen waren für Sie bei der Jahrestagung 2024 der AG besonders wichtig?

Dr. Michael Eckhard: Einmal mehr wurde deutlich, wie essenziell es ist, die verschiedenen Disziplinen und Professionen in die Versorgung der DFS-Patient*innen frühzeitig einzubeziehen und die Behandlungsziele und -modalitäten zwischen den Behandelnden und orientiert am Patientenwohl abzustimmen. Das genau ist auch das Ziel der knapp 300 durch die AG Diabetischer Fuß der DDG zertifizierten Fußbehandlungseinrichtungen in Deutschland.

Wer sollte den Hut aufhaben?

Dr. Eckhard: Ein sogenannter „Koordinationsarzt DFS“ ist hier notwendig, ein „Kümmerer“. Meist sind das Diabetolog*innen, die sich in den Zentren mit großem Engagement für eine sehr gut strukturierte Behandlung einsetzen.

Bei der Tagung wurde auch das aktualisierte Fort- und Weiterbildungs-Curriculum für Fuß- und Wundassistenz DDG vorgestellt. Wie viele haben es schon absolviert?

Dr. Eckhard: Seit Beginn dieses Qualifizierungsprojekts konnten mehr als 3.900 Wundassistent*innen DDG weitergebildet werden. Das ist herausragend. Jetzt wurde dieses Curriculum modernisiert, um Module für Blended Learning ergänzt und noch spezifischer auf die Versorgung von Menschen mit DFS ausgerichtet (s. Kasten). Zudem haben wir die konsentierten Risikoklassen der PG31 zur Schuh- und Einlagenversorgung bei DFS und gleichzeitig als Verordnungshilfe als Begleitbogen verabschieden und veröffentlichen können. Nun sollen diese für eine indikationsbezogene, adäquate und wirtschaftliche Verordnung mit den Kostenträgern und dem Medizinischen Dienst als unterstützendes Instrument für eine transparente und nachvollziehbare Kommunikation vereinbart werden (s. Kasten).

Weitere Informationen

Diskutiert wurde auch die Krankenhausreform, die stationär etablierte Fußbehandlungszentren bedroht. Wie lässt sich das verhindern? 

Dr. Eckhard: Krankenhausstrukturreform, Transparenzgesetz und der Katalog für ambulantes Operieren böten im Grunde die Chance, solche spezialisierten Zentren wie unsere zertifizierten Fußbehandlungseinrichtungen zu stärken und zu fördern. Grundlage dieser Spezialisierung ist eine über Disziplinen und Professionen hinweg strukturierte,  abgestimmte Zusammenarbeit. Solche gelebten Kooperationen müsste man durch Finanzierung der Vorhaltung von Expertise stärken. Doch es besteht große Gefahr, dass diese Spezialisierungen nicht hinreichend gewürdigt werden, manchen Zentren droht schlimmstenfalls das  „Aus“.

Durch neue Leistungsgruppen? 

Dr. Eckhard: Ja. Die Reform sieht ein Eindampfen von bisher über 1.000 Diagnosen und Diagnosegruppen auf nur 60 Leistungsgruppen vor. Dabei sind fachärztliche Qualifikationen nach der ärztlichen Muster-Weiterbildung strukturgebend und bestimmen, wer künftig welche Leistungen erbringen und abrechnen darf. Es droht verkannt zu werden, dass sich Expertise – erst recht bei einem solch interdisziplinären Feld wie der Versorgung des DFS – nicht zwingend an Facharzt-Zertifikaten oder der Größe einer Klinik festmacht.

Entscheidend ist vor allem eine gelebte Kooperation auf Augenhöhe mit Spezialist*innen aller benötigten Disziplinen und Professionen. Solche funktionierenden spezialisierten Zentren bestehen häufig zwischen Abteilungen kleinerer Kliniken oder auf der Ebene von Fachkliniken. Diese sind aber bisher bei der Definition von Leistungsgruppen noch nicht oder zumindest nicht hinreichend berücksichtigt. Dies könnte schlimmstenfalls bedeuten, dass interdisziplinär ausgerichtete Zentren, die auf die DFS-Versorgung spezialisiert sind, ihre Leistung nicht mehr anbieten dürfen oder können, da kein Refinanzierungskonzept besteht – was nicht zu hoffen ist.

In diesem Jahr steht ein Jubiläum an: Die Zertifizierungen zur Sicherstellung einer Behandlungsqualität, die sich am wissenschaftlichen Stand orientiert, vergibt die AG Diabetischer Fuß der DDG seit nunmehr 20 Jahren. Was macht sie so erfolgreich und wo besteht weiter Handlungsbedarf? 

Dr. Eckhard: Die Bedeutung der Implementierung zertifizierter Fußbehandlungseinrichtungen vor 20 Jahren kann man nicht hoch genug schätzen. Die Überprüfung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für die Versorgung eines Krankheitsbildes ist auch im internationalen Vergleich herausragend. Nationale und internationale Daten zeigen, dass sich die DFS-Behandlung durch eine rechtzeitige Zuweisung von DFS-Patient*innen an spezialisierte Zentren signifikant verbessern lässt. Das betrifft Abheilungsraten und -dauer, Rezidivraten und die Amputationshäufigkeit. 

Leider ist diese Optimierung in der Versorgungsqualität wesentlich auf die intrinsische Motivation der Behandelnden zurückzuführen. In den meisten Regionen unseres föderalen Systems ist es nicht gelungen, diese Qualität durch gesundheitspolitische Rahmenbedingungen zu stärken, vor allem im stationären Bereich. Bisher kann nahezu jedes Krankenhaus die Leistungen zur Behandlung des DFS abrechnen – ob die interdisziplinäre und interprofessionelle Versorgungsqualität gegeben ist oder nicht. Das ist ein Missstand, der mit den anstehenden Reformen behoben und nicht etwa zementiert werden sollte.