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Abrechnung Neue Schlüsselnummern in der Diabetologie

Autor: Dipl.-Psych. Wolfgang Trosbach

Die Arbeit der DDG hat sich im ICD-10-GM von 2023 niedergeschlagen. Die Arbeit der DDG hat sich im ICD-10-GM von 2023 niedergeschlagen. © valentinT – stock.adobe.com
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Das BfArM hat in die 2023er-Version des ICD-10-GM neue sekundäre Schlüsselnummern zur spezifischen Kodierung des Schweregrades einer Hypoglykämie und des Vorliegens einer Hypoglykämie­wahrnehmungsstörung bei Diabetes mellitus aufgenommen. Die Kommission Kodierung & DRGs in der Diabetologie informiert über die Ergebnisse des „harten Ringens“ und die Auswirkungen.

Nach einer jahrelangen, mühsamen Klärung in unterschiedlichen Gremien, die sich mit der Kodierung im ICD-10 befassen, und nach den Anträgen zweier Medizinischer Dienste, die Kodierung der Hypoglykämien als Manifestation/Komplikation des Dia­betes mellitus an der 4. Stelle der Hauptdiagnose E10 bis E14 zu löschen, wurde dank einer intensiven, von der von der Kommission Kodierung & DRGs in der Diabetologie  wiederholt in das Vorschlagsverfahren eingebrachten und mit weiteren Fachgesellschaften und Berufsverbänden abgestimmten Anträgen zur Schaffung von Zusatzcodes für schwere Hypoglykämien und Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen nachfolgende Kodierregeln wirksam:

a) Hypoglykämien bleiben unverändert als Manifestation/Komplikation des Diabetes mellitus an der 4. Stelle der Hauptdiagnose E10 bis E14 zu kodieren.
b) Zusätzlich muss an die Hauptdiagnose Diabetes mellitus E1x6x bzw. E1x7x ein neuer ICD-Code U69.7-! angehängt werden, der den Schweregrad bzw. die unterschiedlichen Schweregrade von Hypoglykämien erfasst sowie eine ggf. vorliegende Hypgoglykämiewahrnehmungsstörung.

Mittels dieser neuen Kodes kann das InEK berechnen, ob in Abhängigkeit vom Schweregrad von Hypoglyk­ämien und/oder einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung ein Kostensplit bei den Diabetes-DRG erforderlich ist. Die Ausführungen im ICD-10-GM lauten:

U69.7-! – Sekundäre Schlüsselnummern zur Angabe des Schweregrades einer Hypoglykämie oder des Vorliegens einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung

Die Schlüsselnummern U69.70!, U69.71!, U69.72! und U69.74! sind nur bei Jugendlichen und Erwachsenen (13 Jahre und älter) anzugeben.
Fremdhilfe liegt vor, wenn eine Person aufgrund der durch Hypoglykämie bedingten Bewusstseins­einschränkung nicht mehr in der Lage ist, selbstständig Maßnahmen zur Beendigung der Hypoglykämie durchzuführen und deshalb auf die Unterstützung durch An-/Zugehörige oder medizinisches Personal angewiesen ist.

Fremdhilfe beinhaltet neben der Gabe von Glukose i.v., Glukagon i.m., s.c. oder nasal auch die durch die unterstützende Person durchgeführte orale Zufuhr von Glukose. Rezidivierende Hypoglykämien sind definiert als Hypoglykämien mit einer Häufigkeit von drei oder mehr hypoglykämischen Ereignissen (Blutzucker von 60 mg/dl bzw. 3,3 mmol/l und weniger) innerhalb von fünf Tagen.

Benutzen der sekundären Schlüsselnummern U69.70! bis U69.74!, um bei Diabetes mellitus (E10 bis E14) den Schweregrad der Hypoglykämie oder das Vorliegen einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung anzugeben.

Benutzen der sekundären Schlüsselnummern U69.70!, U69.71! und U69.72!, um bei anderen Zuständen, die mit einer Hypoglykämie einhergehen, den Schweregrad der Hypoglykämie anzugeben.

U69.70! – Milde Hypoglykämie, als nicht-rezidivierend bezeichnet

Die Person ist nicht auf Fremdhilfe angewiesen, Blutzucker von 60 mg/dl bzw. 3,3 mmol/l und weniger.

U69.71! – Milde Hypoglykämie, als rezidivierend bezeichnet

Die Person ist nicht auf Fremdhilfe angewiesen, Blutzucker von 60 mg/dl bzw. 3,3 mmol/l und weniger.

U69.72! – Schwere Hypoglykämie ohne Koma

Die Person ist auf Fremdhilfe angewiesen, Blutzucker von 60 mg/dl bzw. 3,3 mmol/l und weniger.

U69.73! – Hypoglykämisches Koma bei Diabetes mellitus

U69.74! – Hypoglykämiewahrnehmungsstörung bei Diabetes mellitus

Rezidivierend unbemerkte Hypoglykämien mit Blutzucker von 60 mg/dl bzw. 3,3 mmol/l und weniger. (Quelle: DIMDI, t1p.de/ocm69)
Somit ist erstmals – entgegen der Behandlungsleitlinien Diabetes mellitus – für Hypoglykämie ein Blutzuckerwert von < = 60mg/dl festgelegt. Cave: Das ICD-10 bezieht sich auf eine blutige Messung, inwieweit Gewebsglukosewerte akzeptiert werden, muss sich erst zeigen.

Schwere Hypoglykämien sind nicht über einen dezidierten Blutzuckerbereich definiert, sondern (konform den Behandlungsleitlinien) darüber, dass Fremdhilfe erforderlich ist. Fremdhilfe bezieht sich auf eine Bewusstseinseinschränkung, sodass Betroffene keine Glukose mehr selbstständig einnehmen können. Cave: An- und Zugehörige sind ex­tra bezüglich der Fremdhilfe benannt; Fremdhilfe bezieht sich somit nicht – wie die Medizinischen Dienste oft gefordert hatten – ausschließlich auf medizinisches Personal.

Erstmals wurden rezidivierende Hypo­glykämien definiert als drei oder mehr Hypoglykämien innerhalb von fünf Tagen. Hypoglyk­ämiewahrnehmungsstörungen wurden definiert als unbemerkte rezidivierende Hypoglykämien bei Blut­zuckerwerten < = 60 mg/dl.

Daraus ergeben sich verschiedene Auswirkungen:

  • Während einer Behandlung können und müssen selbstverständlich mehrere Kodes von U69.71! bis U69.74! gleichzeitig kodiert werden.
  • Symptomatische Hypoglykämien mit Werten größer 60 mg/dl können nicht mehr als Hypoglyk­ämien kodiert werden.
  • Die Hypoglykämiewahrnehmungsproblematik erfordert über das Erfassen einer unbemerkten Hypoglykämie hinaus auch die Dokumentation eines Blutzuckerwertes von 60 mg/dl oder weniger.
  • Ungeklärt bzw. vage bei der neuen Definition von Fremdhilfe bleibt, inwieweit auch das Erinnern/Auffordern/Drängen/Führen des Saftglases etc. als Fremdhilfe gilt, wenn Patient*innen zwar selbst noch die schnell wirksame Glukose einnehmen, aber nurmehr unter Führung/Anleitung von Dritten, weil sie dazu selbstständig nicht mehr in der Lage ist.
  • Unseres Erachtens sind zwingend prästationäre bzw. anamnestisch genannte Hypoglykämien, die die Aufnahme mit veranlasst haben, zu kodieren. Stationär sollten dazu auch systematisch die Gewebsglukosemessungen der Patient*innen ausgelesen und dokumentiert werden.
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