Praxisabgabe Im Hamsterrad bis zum Ruhestand

Niederlassung und Kooperation Autor: RA Marcel Schmieder

In gesperrten Planungsbereichen ist der unterschriebene Kaufvertag keine Garantie dafür, dass die Zulassung auch wirklich auf den Käufer übergeht. In gesperrten Planungsbereichen ist der unterschriebene Kaufvertag keine Garantie dafür, dass die Zulassung auch wirklich auf den Käufer übergeht. © VectorMine – stock.adobe.com

Die Praxisabgabe ist in Sicht und Sie wollen oder müssen vorab ein bisschen runterfahren? Cave: Ist der Praxisbetrieb versiegt, lässt sich der Verkauf unter Umständen nicht mehr durchführen.

Die gesellschaftsrechtliche Nachfolge bei Abgabe der Praxis ist unweigerlich an zulassungsrechtliche Fragen gebunden. Damit hängt aber auch die Veräußerung selbst an genau diesen Fragen – eine vertragsärztliche Praxis ohne Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist für Käufer in der Regel uninteressant.

Das Problem: In gesperrten Planungsbereichen ist der unterschriebene Kaufvertag keine Garantie dafür, dass die Zulassung auch wirklich auf den Käufer übergeht. Denn als öffentlich-rechtliche Berechtigung wird der Versorgungsauftrag erst über das Nachbesetzungsverfahren auf den Käufer übertragen. Eine Praxis bzw. ihr Patientenstamm ist also nur dann eine werthaltige Vermögensposition der Praxis, wenn die Zulassung des „alten“ Besitzers vom Käufer fortgeführt werden kann.

Will ein Arzt seine Praxis verkaufen, muss er bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahren stellen. Der Käufer wird sich dann auf die Ausschreibung bewerben. Voraussetzung für die Durchführung dieses Verfahrens ist allerdings die Fortführungsfähigkeit der Praxis. Diese liegt nur vor, wenn noch ein Praxissubstrat vorhanden ist. Andernfalls kann mangels existierender Praxis keine Nachbesetzung des ihr zugeordneten Vertragsarztsitzes mehr stattfinden. So hat es das Bundessozialgericht 2018 sinngemäß formuliert.  

Praxissubstrat gibt es nur über die ärztliche Tätigkeit

Vom Vorhandensein eines Praxissubstrates kann ausgegangen werden, wenn in der zu veräußernden Praxis eine „Tätigkeit in nennenswertem Umfang“ stattgefunden hat. Das setzt unter anderem die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen voraus – also die Behandlung von GKV-Patienten, bei denen die ärztlichen Leistungen über die KV abgerechnet wurden. Dieses Bestehen eines Patientenstammes ist essenziell: Räumlichkeiten, Ausstattung, Internetauftritt u.Ä. erlangen erst im Zusammenhang mit der tatsächlichen vertragsärztlichen Tätigkeit einen spezifischen Praxiswert. Wichtige Indizien zur Bestimmung des fortführungsfähigen Praxissubstrats sind dabei die Höhe der Honorarumsätze und die Fallzahlen.

Ist ein Arzt dagegen – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage oder nicht gewillt, den Versorgungsauftrag zu erfüllen, führt dies zwangsläufig zu einem Abschmelzen der Fallzahlen sowie der Arbeitsstunden des Praxisinhabers. Das Sozialgericht München hatte 2019 für einen Fall entschieden, dass für einen vollen Vertragsarztsitz die Fallzahlen und die wöchentlichen Arbeitsstunden nicht unter 50 % der Fachgruppe liegen sollten. Bei allen darüberliegenden Werten ist noch von einer vertragsärztlichen Tätigkeit in „nennenswertem“ Umfang auszugehen, sodass die Praxis fortführungsfähig bleibt.

In solchen Fällen also, wenn der Arzt seine Praxistätigkeit beendet oder er seine vertragsärztliche Leis­tung aus Krankheitsgründen nicht mehr erbringen kann, stellt sich die Frage, wie lange das Praxissubstrat, insbesondere der Patientenstamm, noch vorhanden und veräußerbar ist. Dabei wird der zeitliche Abstand zwischen der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch den Vorgänger und dem Zeitpunkt der Antragstellung relevant.

Über welchen Zeitraum bleibt das Praxissubstrat erhalten?

Eine grundsätzliche Festlegung, nach welcher Zeitspanne eine fortführungsfähige Praxis nicht mehr existiert, gibt es nicht. Dies ist von der Bewertung der Umstände des Einzelfalles abhängig.

In einem konkreten Fall hatte das BSG entschieden, dass mehr als sieben Jahre nach dem Ausscheiden eines Arztes aus einer Berufsaus­übungsgemeinschaft keine Grundlage mehr für eine Fortführung besteht. In einem anderen Fall hat das BSG klargestellt, „dass jedenfalls vier Jahre nach dem faktischen Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein Praxissubstrat nicht mehr vorhanden und eine Nachfolgezulassung nach SGB V § 103 Absatz 4 SGB V ausgeschlossen sei“.  

Allgemein wird die Ansicht vertreten, dass sich der ideelle Wert einer Arztpraxis nach sechs Monaten ohne Patientenbehandlung verflüchtigt habe. In besonderen Fällen wird man auch von einem Jahr ausgehen können. Darüber hinaus wird es dann aber schon schwierig: So wurde in einem anderen konkreten Fall auch entschieden, dass die „Sachmittel nach einem Zeitraum von mehr als einem Jahr, in dem keinerlei vertragsärztliche Leis­tung erbracht worden ist, keinen Bezug mehr zur vertragsärztlichen Tätigkeit aufwiesen“.

Eine eindeutige Zeitangabe, wie viel Zeit verstreichen darf bzw. ab wann man nicht mehr von einer vertragsärztlichen Tätigkeit ausgehen kann, lässt sich also kaum machen. Abgabewillige Praxisinhaber sind deswegen gut beraten, wenn sie eine Nachfolge frühzeitig und damit vor dem Abschmelzen des Praxissubstrats planen, um die Praxis tatsächlich werthaltig verkaufen zu können.

Medical-Tribune-Bericht