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Lieber eine als keine? Investorgetragener Konzern aus Irland baut Kette an Hausarztpraxen auf

Niederlassung und Kooperation Autor: Anouschka Wasner

Centric Health Care verfügte Ende 2022 über 68 Standorte. Centric Health Care verfügte Ende 2022 über 68 Standorte. © ipopba – stock.adobe.com
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Seit einigen Jahren engagieren sich Investoren auch im hausärztlichen Bereich. Zu einem von ihnen gehört der irische Konzern Centric Health. Seit 2022 hat er die Gründereigenschaft, wie es im Gesetz heißt; anderthalb Jahre später gehören ihm drei MVZ mit sieben Hausarztpraxen.

Frühsommer 2022: Das irische Unternehmen Centric Health kauft eine Klinik in dem kleinen Örtchen Oberwesel im Mittelrheintal. Die Verantwortlichen freuen sich, dass der Betrieb der Tagesklinik gerettet ist. Und ein Investor freut sich über das Sprungbrett in den Markt der Hausarztpraxen in Deutschland. 

Die ersten Gespräche mit Ärztinnen und Ärzten, deren Praxen für Centric Health attraktiv sind, beginnen direkt. Er rechne damit, im Sommer die ersten Praxen im Unternehmen begrüßen zu dürfen, sagte damals Simon Astfäller, Geschäftsführer von Centric Health Deutschland. Heute ist der Primärversorgerkonzern in den rheinland-pfälzischen Regionen um Montabaur, Bad Ems und Bad Kreuznach sowie in Oberwesel mit der Tagesklinik vertreten. 

Das Unternehmen Centric Health wurde 2003 von zwei Ärzten in Irland gegründet. Seit 2018 befindet es sich im Portfolio von Five Arrows, einem Private-Equity-Fonds der Rothschild-Bank. In der Niedrigzinsphase der letzten Jahre mussten Investoren neue lukrative Felder auftun, um das Geld ihrer Anleger gewinnbringend anzulegen – der Markt der Arztpraxen geriet in den Fokus; und bald auch der Markt der Hausarztpraxen

Bedeutender Anteil im Markt der Primärversorgung

Ein knappes Jahr vor dem Expansionsanlauf in Deutschland schreibt der Markbeobachter Healthcare Business international, es gebe in Irland kein anderes gewinnorientiertes Unternehmen, das auch nur annähernd einen solch bedeutenden Anteil am Primärversorgungsmarkt hat. Zu diesem Zeitpunkt räumt Centric Health Verluste ein, doch die seien auf die „erhebliche Investitionen“ in Personal, Infrastruktur und eine neue digitale Plattform für Patienten zurückzuführen. Es seien weitere Akquisitionen von Hausarztpraxen, Investitionen in digitale Plattformen und die Einführung innovativer Primärversorgungsdienste geplant.

Ende 2022 verfügte Centric Health in Irland über 68 Standorte mit einem Netzwerk von 250 Ärzten. Stand heute werden in Irland über 550.000 Patienten von Centric-Health-Einrichtungen mit hausärztlichen und zahnärztlichen Leistungen, Notfallversorgung, Radiologie und arbeitsmedizinischen Diensten versorgt – rund 10 % der irischen Bevölkerung. Außerdem ist der Konzern seit 2019 in den Niederlanden präsent und versorgte dort nach Medienberichten Stand 2022 über 70.000 Patienten. Heute ist er dort an acht Praxisstandorten vertreten, sagt Astfäller.

Auf die Frage, wie es zu bewerten sei, wenn in Rheinland-Pfalz 10 % der Patienten von einem einzelnen MVZ-Eigentümer versorgt würden, wie es jetzt in Irland der Fall ist, unterstreicht die KV, dass aus ihrer Sicht die inhabergeführte Arztpraxis nach wie vor der Goldstandard sei. Eine Monopolisierung müsse verhindert werden. Mit Blick auf inves­torengeführte MVZ müssten Gründungen räumlich auf das Umfeld der Klinik beschränkt werden und ein schneller Wiederverkauf  der Praxen sowie die Ausfuhrmöglichkeit hoher Gewinne begrenzt werden. Man fordere den Gesetzgeber weiter auf, durch gesetzliche Regelungen drohende Konzentrationsprozesse und Monopolisierungstendenzen in der ambulanten Versorgung Schranken zu setzen. 

Der Autor Rainer Bobsin, der den Arztpraxenmarkt seit Jahren beobachtet, kritisiert dagegen, dass niemand die Konzentrationsprozesse wirklich beurteilen kann. Die Datengrundlage sei völlig unzureichend. Einerseits veröffentliche die KBV keine Angaben zu Zweigpraxen. Dabei müsste sie diese Zahlen haben und ihre Bedeutung sollte bekannt sein. Andererseits habe der Gesetzgeber bisher versäumt, auch bei nicht-ärztlichen Trägern die Erfassung der Eigentümer vorzuschreiben. So gebe es zum Beispiel auch relevante nicht-ärztliche Träger, die sich im Eigentum von Ärzten befinden, wie etwa die MCN Medic Center Nürnberg GmbH mit über 60 Praxen im Raum Nürnberg-Fürth-Erlangen.

Wer ist bereit zum Deal?

17,1 % der Fachärztinnen und -ärzte und 12,6 % der Hausärztinnen/-ärzte haben schon eimal ein Übernahmeangebot von einem Investor erhalten. Gut ein Drittel davon zeigt sich aufgeschlossen für eine Praxisübernahme durch Investoren: 8,5 % haben das ihnen vorliegende Angebot angenommen, weitere 25,5 % hätten dies getan, wenn die Konditionen gestimmt hätten. 66 % lehnten das Angebot ab. Bezogen auf die Grundgesamtheit hat damit 1 % der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ihre Praxis bereits an einen Investor verkauft. Bei denen, die noch kein Angebot erhalten haben, gaben sogar fast 40 % an, prinzipiell interessiert zu sein – vorausgesetzt, die Konditionen stimmen.

Stiftung Gesundheit, Ad-hoc-Befragung „Im Fokus“, 1. Quartal 2023

Um wichtige Entwicklungen wie Konzentrationsprozesse oder die Stadt-Land-Verteilung beurteilen zu können, brauche man Strukturtransparenz über alle Praxen hinweg: Wer besitzt wie viele Praxen mit wie vielen Sitzen mit welcher Fachrichtung an welchen Orten? Die Einschränkung einzelner Träger fördere dagegen möglicherweise Eigentümer, die viele Träger besitzen – also z.B. große private Krankenhauskonzerne.

Was Centric Health Deutschland betrifft, sind die Größenverhältnisse bis dato übersichtlich: drei MVZ, sieben Praxen und knapp über 20 Ärztinnen und Ärzte. Hinweise auf der Unternehmensseite bzw. den Homepages der Praxen zu der Zugehörigkeit zum Konzern fehlen bislang jedoch. Eine Frage der Zeit, sagt Geschäftsführer Astfäller. 

Eines der neuen Centric-Health-MVZ in Deutschland, nämlich die Loreley MVZ Bad Ems GmbH, besteht z.B. aus dem Hausarztzentrum Bad Ems und der Zweigpraxis „Landsitz Bogel“. Für die Neugründung wurde die Praxis in Bogel um einen Sitz erweitert, räumlich vergrößert und modernisiert, erzählt Astfäller. Die Investitionen hätten „nahezu im sechsstelligen Bereich“ gelegen und sollen sich bis spätes­tens zum Ende der Abschreibungsdauer amortisiert haben. 

Die ärztliche Leiterin des MVZ mit sieben Ärztinnen und Ärzten ist Dr. Bernice Schwab. Sie sagt: „Für mich geht es um meine Patientinnen und Patienten, die ich gut versorgen will.“ Für diese habe sich, was die Versorgung betrifft, nichts verändert durch den Kauf durch den Investor. Die Befürchtung, dass Patienten in Arztpraxen, die von Investoren übernommen wurden, unnötigte Behandlungen verkauft würden, um den Gewinn zu steigern, teilt Dr. Schwab nicht. Zumal das in der Allgemeinmedizin auch nicht so einfach sei wie bei Fachärzten.

Welche Möglichkeiten für Gewinnsteigerung gibt es?

Hausarzt Axel Strähnz, seit 20 Jahren in Oberwesel niedergelassen und kritischer Beobachter, sieht gleichermaßen die Schwierigkeit, im haus­ärztlichen Bereich Gewinne zu machen. Er kommt deswegen zu dem Schluss: „In einem von Pauschalen getragenen System kann ein Investor seinen Profit nur über die Anzahl der Patienten oder über Zusatzleistungen erzielen.“ Der Hausarzt hat sich z.B. das Verhalten des Konzerns in den Niederlanden angeschaut. Dort werde einem schon am Eingang eine Preisliste in die Hand gedrückt, sagt er. Medienberichten zufolge soll die niederländische Gesundheitsbehörde die Versorgungsstrukturen von Centric Health jetzt unter Beobachtung haben: Es würden zu wenig Ärzte auf zu viele Patienten kommen.

Einen aus finanzieller Sicht „erheblichen Zuschuss“ hat Centric Health Irland nach eigenen Angaben kürzlich von der Irish Cancer Society bekommen. „Da wir so viele Patienten betreuen, verfügen wir über einen umfangreichen Datensatz, aus dem wir schöpfen können, und können einen positiven Beitrag zur Krebsforschung leisten“, sagte Dr. Ray Power, einer der Gründer, in diesem Zusammenhang im Februar 2023. 

Der umfangreiche Datensatz, von dem er spricht, setzt sich dabei nicht nur aus den Gesundheitsdaten der über 500.000 irischen Patientinnen und Patienten zusammen, die von Centric-Health-Praxen versorgt werden: Mit jeder Praxisübernahme fließen aus Speicherpflichtsgründen gleich alle Daten in den Bestand, egal ob die Patienten bleiben oder nicht.

Doch wo Datenmengen, da auch Hacker: Im gleichen Monat, in dem sich Centric Health über seinen Beitrag zur Krebsforschung freute, wurde bei einem Ransomware-Angriff auf das Patientenverwaltungssystem des Unternehmens auf Daten u.a.  besonderer Kategorien von 70.000 Personen zugegriffen. Die Datenschutzbehörde Irland verhängte eine Geldstrafe von 460.000 € gegen Centric Health wegen unzureichender Datensicherheitsmaßnahmen. 

Die weiteren Pläne des Konzerns standen zu diesem Zeitpunkt bereits fest. Im Dezember 2022 stimmte die EU einem Joint Venture zwischen ihm und dem irischen Versicherer Irish Life zu. Unter dem Namen Care Connect soll ein Versorgungsangebot entstehen, das Telemedizin und persönliche Versorgung miteinander verbindet. Das Unternehmen Irish Life Health hat fast eine halbe Million Kunden und ist Teil der Irish Life Group, Irlands größtem Lebensversicherungs- und Rentenanbieter mit über 1,4 Millionen Kunden. 

Übernommen wurde von dem neuen Player außerdem noch Care-path Connect mit seiner App zur Therapeutensuche. Dazu die Europäische Kommission: „Die Übernahme wird aufgrund ihrer begrenzten Auswirkungen auf den Markt keine Wettbewerbsbedenken aufwerfen.“

Quelle: Medical-Tribune-Recherche

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