Hausarztzentrierte Versorgung „Kommandozentrale der eigenen Gesundheit“

Niederlassung und Kooperation Autor: Isabel Aulehla

Das Versprechen auf eine lebenslange hausärztliche Betreuung und eine bevorzugte Behandlung soll in die HzV locken. Das Versprechen auf eine lebenslange hausärztliche Betreuung und eine bevorzugte Behandlung soll in die HzV locken. © Goran – stock.adobe.com

Vielen Praxen gilt die Hausarztzentrierte Versorgung als einzige Möglichkeit, ein angemessenes Honorar für die Behandlung gesetzlich Versicherter zu erzielen. Mit welchen Argumenten gewinnt man aber die Leute dafür? Wir haben uns umgehört.

Derzeit laufen die letzten Tage des „HzV-Powermonats“, den der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ausgerufen hat. Die Initiative soll das Angebot bekannter machen. Trotzdem ist es nicht leicht, Patientinnen und Patienten davon zu überzeugen. Medical Tribune hat Ärztinnen und Ärzte gefragt, mit welchen Argumenten sie es versuchen.

„In unserer Praxis überzeugt das bessere Präventionsangebot in der HzV am meisten. Dass also beispielsweise die Gesundheitsuntersuchung statt alle drei Jahre alle zwei Jahre in Anspruch genommen werden kann“, berichtet Dr. Wolfgang Ritter, der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes.

Extra-Sprechstunden oder Hausbesuche einer VERAH

Welche Vorteile für Interessierte relevant sind, unterscheide sich je nach Lebenslage, gibt er zu bedenken. Für junge Berufstätige könne ein erweitertes Sprechstundenangebot ein schlagendes Argument sein. Für ältere, immobile sei die engmaschige Betreuung durch zusätzliche Hausbesuche einer VERAH sehr überzeugend.

Um mit Patientinnen und Patienten über das Angebot zu sprechen, beginnt Dr. Ritter oft mit der Frage, ob sie zufrieden sind mit der Praxis. Wenn dies bejaht wird, schließt er an mit einem Satz wie „Dann wollen Sie uns sicher treu bleiben. Nehmen Sie doch auch einen zusätzlichen Vorteil mit und schreiben Sie sich in den Hausarztvertrag Ihrer Kasse ein“. Anschließend nennt er die Benefits.

In der Dortmunder Praxis von Lars Rettstadt, dem Vorsitzenden des Landesverbands Westfalen-Lippe, macht ein Plakat auf die HzV neugierig. Es verspricht „einen Stammplatz in dieser Hausarztpraxis“. Das zentrale Argument sei auch dort eine bessere Koordination der Versorgung, berichtet der Mediziner. Die Praxis werde zur „Kommandozentrale der eigenen Gesundheit“. Das gebe den Menschen ein großes Gefühl von Sicherheit.

Auch der Hinweis auf eine besondere, kostenfreie Leistung habe sich bewährt, z. B. die Worte: „Wir haben ein Geschenk Ihrer Krankenkasse für Sie: die Hausarztzentrierte Versorgung. Als teilnehmende Praxis können wir Ihnen die Einschreibung in ein besseres Versorgungssystem anbieten.“

Insgesamt brauche es aber gar nicht so sehr Sprüche oder Werbeslogans, meint Rettstadt. „Das, was vor allem zählt, ist das besondere Vertrauensverhältnis, das es zwischen Patientin oder Patient und Hausärztin oder Hausarzt gibt. Die HzV bietet die Chance, dieses Vertrauensverhältnis auszubauen und zu sichern – mit dieser Aussicht können wir punkten!“ Zudem wüssten einige Patientinnen und Patienten, dass das Programm für Praxen schlicht relevant sei, um weiter bestehen zu können. 

Pro Quartal sind 150 bis 200 Einschreibungen realistisch

In Rheinland-Pfalz hat Dr. Klaus Korte, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des dortigen Hausärzteverbandes, ebenfalls den Eindruck, dass Patientinnen und Patienten es schätzen, wenn sie mehr Orientierung im „großen Medizindschungel“ bekommen. Es sei für sie angenehmer, wenn Briefe, Befunde und Untersuchungsergebnisse zentral zusammenlaufen, statt sie erst mühsam beschaffen zu müssen. Pro Quartal sind seiner Einschätzung nach 150 bis 200 Neueinschreibungen realistisch. Manche seiner Kolleginnen und Kollegen würden aber auch deutlich darüber liegen. Außerdem weist er auf die bessere medizinische Versorgung hin: „Die Teilnahme an DMP-Programmen ist bei HzV-Patienten höher, die Hospitalisierungsraten sind niedriger.“

Statistik-Spickzettel

Um von der HzV zu überzeugen, ist es hilfreich, die Vorzüge auch mit Zahlen belegen zu können. Dr. Christian Sommerbrodt zählt auf, welche Effekte sich in Studien abgezeichnet haben:  

  • keine Doppeluntersuchungen: Eine Untersuchung des Instituts für Gesundheitsökonomie zeigt, dass durch die HzV die Anzahl unnötiger Untersuchungen um 10–15 % gesenkt werden konnte.
  • weniger Chaos: Laut der Techniker Krankenkasse profitieren HzV-Teilnehmende von einer um 20 % besseren Abstimmung zwischen Haus- und Facharztpraxen, was zu weniger unnötigen Überweisungen und Behandlungen führt.
  • früher Termine beim Facharzt:  Gemäß einer Auswertung der AOK Baden-Württemberg erhalten Personen, die an der HzV teilnehmen, im Schnitt 30 % schneller einen Facharzttermin.
  • seltener in die Klinik: Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK weist darauf hin, dass HzV-Patientinnen und -Patienten 8 % weniger Klinikaufenthalte haben, insbesondere bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder COPD.
  • digitale Angebote: Eine Analyse der KV Baden-Württemberg zeigt, dass HzV-Patientinnen und -Patienten zu 25 % häufiger an digitalen Angeboten wie der Videosprechstunde teilnehmen und die Beziehung zu ihrer Hausärztin/ihrem Hausarzt als vertrauensvoller bewerten.
  • kompetentere Ärztinnen und Ärzte: Eine Untersuchung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung belegt, dass Hausärztinnen und -ärzte, die an der HzV teilnehmen, 20  % häufiger an Fortbildungen zu aktuellen medizinischen Themen teilnehmen, was die Versorgungsqualität steigert.

Authentisch auf Bedürfnisse eingehen

Die statistischen Vorteile, die das Hausarztmodell bietet, hat Dr. Christian Sommerbrodt präzise parat (siehe Statistik-Spickzettel). Er ist Vorsitzender des hessischen Hausärzteverbands. Insgesamt existiere aber kein argumentativer Standardweg, der bei allen Interessierten zum Erfolg führt, betont auch der Wiesbadener Hausarzt. Wichtiger sei es, je nach Fall authentisch und individuell auf die relevanten Vorteile einzugehen. 

Quelle: Medical-Tribune-Bericht