Ambulante Versorgung „Maßgeschneiderte Projekte für die Praxis“
Versorgung akut, vernetzt und digital: Drei Kategorien standen zur Auswahl, neun Modelle durften sich präsentieren und gut 250 Gäste aus Ärzteschaft, Politik und Wissenschaft stimmten nach jeweils vierminütigen Projekt-Statements live darüber ab. „Ich finde es immer wieder begeisternd, mit wie viel Kreativität und Gestaltungswillen die Herausforderungen in den Regionen angegangen werden“, so Dr. Annette Rommel, Kuratoriumsvorsitzende des Zi.
Die KVen seien „Impulsgeber und Ideenspender“ für die medizinische Versorgung von morgen, die vertragsärztlichen Praxen „nah dran an den Menschen“ – mit mehr als 700 Mio. Behandlungsfällen pro Jahr. 200 Fälle davon seien „Erst- und Akutkontakte, die rund um die Uhr tagtäglich versorgt werden“, betonte Dr. Rommel. Die Ärzte warnten allerdings davor, dass das Fundament der Versorgung in Zukunft gefährdet sei. „Wir sprechen von einem drohenden Praxenkollaps“, so die Thüringer KV-Chefin. „Das stärken, was stark ist – die Ärzte und ihre Teams im Land“, zitierte sie den früheren Gesundheitsminister von Bayern, Klaus Holetschek. Der jetzige CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag war virtuell aus München zugeschaltet. „Wir stehen an vielen Sollbruchstellen im Gesundheitswesen: Die Frage der Finanzierung und der Digitalisierung, der Einzug der KI, der Fachkräftemangel bei den MFA – wir brauchen Lösungen.“
Innovative Blaupausen für die ambulante Versorgung
Kreative Lösungsansätze boten die vorgestellten regionalen Projekte, drei davon wurden als Sieger gekürt. In der Session „Versorgung akut“ wurde das Modell „Patientensteuerung im Klinikum Rosenheim“ ausgezeichnet. Es ist ein Folgeprojekt der Praxisstudie, die von der KVB und dem RoMed Klinikum Rosenheim 2021 realisiert worden und an der das Zi beteiligt war. Hilfesuchende, die über das Manchester Triage System (grün/blau) eingestuft und anschließend durch eine KV-Fachkraft mittels der Software SmED eingeschätzt worden waren und nicht in der Notaufnahme behandelt werden mussten, erhielten im Rahmen der Studie ein alternatives ambulantes Versorgungsangebot. Von den 109 der 193 erfassten Patienten konnten 63 % abschließend in acht Kooperationspraxen tagsüber vertragsärztlich versorgt werden. Dort waren sie auch direkt digital über die Software „Ivena“ angemeldet.
In der Kategorie „Versorgung digital“ belegte die Initiative „Digi-Managerin – neue Fortbildung für nicht-ärztliches Praxispersonal“ der KV Westfalen-Lippe den ersten Platz. Obwohl schon heute vielerorts Online-Terminvergabe, digitale Voranamnese, Online-Rezeptbestellung oder Videosprechstunden in den Praxen eingesetzt werden, bleibt die Organisation für die Teams zeitlich oft stark belastend, was dann in der Versorgung fehlt. Die KV Westfalen-Lippe bildet momentan 100 „Digi-Manager“ aus.
Mitarbeitende werden in dem Projekt befähigt, den Digitalisierungsgrad ihrer Praxis zu analysieren und Prozesse nachhaltig zu digitalisieren. Durch diese „sinnvolle Digitalisierung“ gewinnen Arztpraxen mehr Zeit für ihre Patienten.
In der Sparte „Versorgung vernetzt“ machte das Projektmodell „It’s a Match – Einsatz von Physician Assistants in der ambulanten Versorgung“ das Rennen, das ebenfalls von der KV Westfalen-Lippe eingebracht wurde. Das Projekt, das die KV engmaschig begleitet, läuft seit über zwei Jahren. Vor dem Projektstart wurden zehn teilnehmende Praxen und die angestellten Physician Assistants (PA)„gematched“.
Schon jetzt zeigt sich: Die PAs übernehmen im Lauf der Zeit zunehmend mehr Aufgaben in der Patientenversorgung. Mit dem Projekt sollen die Delegation medizinischer Tätigkeiten weiterentwickelt, Einsatzmöglichkeiten im ambulanten Sektor evaluiert und eine Clusterung über den Einsatz weiterer Berufsbilder in der Arztpraxis erstellt werden. Die Zufriedenheit aller weiteren Berufsgruppen in den teilnehmenden Modellpraxen will man überdies untersuchen.
Holetschek: „Kein Erkenntnis-, sondern Umsetzungsproblem!“
Modellideen wie die regionalen Leuchtturmprojekte könnten ein Teil der Lösung sein, um die flächendeckende, wohnortnahe ambulante Versorgung zu verbessern, führte Holetschek an. Aber: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.“
Die ausgezeichneten Beispiele möglichst ins eigene Versorgungsangebot übernehmen, dazu regte auch Dr. Rommel an. Sie selbst habe im zurückliegenden Jahr ein ehemaliges Siegerprojekt der Leuchtturmveranstaltung, das erfolgreich wissenschaftlich evaluiert worden war, dem Gesundheitsausschuss vorgestellt: die sektorenübergreifende „Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen“ (ARNIM). Dieses zeigt: Eine enge Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern sowie Patientenschulungen verbessern die Arzneimitteltherapie. Solche „exzellenten Projekte“ seien für die Praxis maßgeschneidert, dürften aber nicht im Modellstatus stecken bleiben, sondern müssten in die Regelversorgung überführt werden, forderte Dr. Rommel.
Medical-Tribune-Bericht