Physician Assistant Modellprojekt erprobt ambulanten Sektor als attraktiven Arbeitsmarkt

Praxismanagement , Team Autor: Angela Monecke

Ein PA kann den Arzt in einer hausärztlichen Einzelpraxis z.B. um 20 % entlasten. Ein PA kann den Arzt in einer hausärztlichen Einzelpraxis z.B. um 20 % entlasten. © NanSan – stock.adobe.com

 Ein junger Beruf gewinnt an Hochschulen und Kliniken an Bedeutung: der Physician Assistant. In Haus- und Facharztpraxen ist diese Assistenz dagegen bisher eher selten zu finden. Dem PA-Einsatz mehr Schub verleihen will die KV Westfalen- Lippe durch ein Modellprojekt. 

Bei Eva, Verah oder Agnes bauen die Fort- und Weiterbildungen für MFA auf einer ersten qualifizierenden Berufsausbildung auf. Einen Schritt weiter geht der Bachelor-Abschluss eines Physician Assis­tant (PA), der durch ein Hochschulstudium erworben wird. Seit fast 20 Jahren ist das PA-Studium hierzulande möglich. Knapp 1.000 PA sind gegenwärtig im Einsatz. Die meisten von ihnen (89 %) arbeiten an Krankenhäusern, vorwiegend in den operativen Abteilungen, wie eine Studie des Deutschen Hochschulverbandes Physician Assistant zeigt.  

Nun läuft auch ein Modellprojekt in Westfalen-Lippe für die ambulante Versorgung. Zwei Jahre dauert es und soll u.a. solche Fragen beantworten: Wie kann ein PA den Arzt bei der Arbeit unterstützen? Was unterscheidet die PA- von der MFA-Tätigkeit?  Welche Aufgaben können im Team an den PA delegiert werden? Das Projekt führt die KVWL zusammen mit der Hochschule für Gesundheit, Soziales und Pädagogik Rheine und der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants durch. 

Wie gut kommen PA bei den Patienten an?

„Schon heute entlasten besonders qualifizierte MFA die niedergelassenen Ärzte, indem sie beispielsweise Hausbesuche übernehmen und Patienten eigenständig versorgen“, sagt KV-Vize Dr. Volker Schrage. „Ein weiterer Stützpfeiler künftiger Delegation können Physician Assistants sein – das wollen wir mit diesem Projekt wissenschaftlich belegen.“ Den PA-Beruf sieht er als gute Gelegenheit, das Thema Delegation in der Vertragsarztpraxis zu überdenken. 

Der Studiengang

Die Hochschulausbildung zum PA dauert mindestens sechs Semester und schließt mit dem akademischen Grad „Bachelor of Science“ ab. Die Zulassungsvoraussetzungen sind z.B. Abitur, das Fachabitur und/oder eine medizinische Ausbildung mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung. Die Zulassungskriterien werden von den einzelnen Hochschulen bestimmt. Der Deutsche Hochschulverband Physician Assistant arbeitet an einer Vereinheitlichung der Studieninhalte und -anforderungen. 

Eine Liste mit Ausbildungs­stätten gibt es hier.

Das Projekt untersucht etwa, wie effektiv PA in die Arbeitsabläufe integriert werden können, wie sehr sie Praxisinhaber und andere Mitarbeiter dabei entlasten bzw. in welchem Umfang sich der Versorgungsumfang durch den PA-Einsatz erweitert. Da viele Patienten diesen Beruf noch nicht kennen, soll auch die Patientenzufriedenheit ermittelt werden. Die teilnehmenden Praxen und PA werden von einem Team aus der Praxisorganisation der KV begleitet und finanziell gefördert. Das Projektziel: Für PA einen neuen attraktiven Arbeitsmarkt erschließen.

Julia Gniechwitz und Jule Hörmann sind zwei angehende PA. Zusammen mit zehn Ärzten und mehr als 50 weiteren Mitarbeitern arbeiten sie in der Ochtruper Gemeinschafts­praxis von Dr. ­Sebastian ­Gesenhues, die an dem Modellprojekt teilnimmt. Das Konzept der PA hat es dem Hausarzt angetan. „In Zeiten von Ärztemangel werden wir künftig immer mehr Aufgaben delegieren, ein Stück Verantwortung abgeben müssen.“ Den Arzt sieht er immer mehr als „Behandlungsleiter, dem qualifiziertes Personal künftig noch stärker zuarbeiten“ werde. 

Jule Hörmann wird ihr dreijähriges Studium zum PA demnächst abgeschlossen haben. Sie sagt: „Wir übernehmen mehr Verantwortung in der medizinischen Versorgung der Patienten, kümmern uns beispielsweise federführend um sämtliche Wundversorgungen, entlasten so die Ärztinnen und Ärzte.“

Mitten im ersten Semester steckt dagegen noch Julia Gniechwitz. Sie ist sich nach den ersten Wochen aber schon sicher, mit ihrem PA-Studium „genau die richtige Entscheidung“ getroffen zu haben. „Ich wollte mich einfach persönlich weiterentwickeln, einen tieferen Einblick in Medizin und Versorgung bekommen.“ Im Sommer wird dann noch eine weitere angehende PA im Team von Dr. Sebastian Gesenhues anfangen.

Thorsten Spiecker ist Leiter des Geschäftsbereichs Honorar der KVWL und hat am Beispiel von Hausarztpraxen und einer diabetologischen Schwerpunktpraxis errechnet, dass sich der Einsatz von PA finanziell lohnt. Anhand des Tätigkeitsprofils, das sich aus den Bewerbungsverfahren zur Teilnahme an dem Modellprojekt ergibt, betrachtete er unterschiedliche Szenarien. Er kommt u.a. zu dem Ergebnis: Ein PA kann den Arzt in einer hausärztlichen Einzelpraxis z.B. um 20 % entlasten. Dieses Mehr an verfügbarer Arztzeit ermöglicht eine Leistungssteigerung um 400 Fälle, was einem zusätzlichen Quartalsumsatz von 23.000 Euro entspricht. 

Beim Gehalt stellt sich die Frage der Refinanzierung

Das Einstiegsgehalt für einen ausgebildeten PA liegt bei 4.000 bis 4.500 Euro brutto plus Arbeitgeberkosten. Das weiß Dr. Wolfgang von Meißner, einer der Haus­ärzte der Teampraxis „Hausärzte im Spritzenhaus“ in Baiersbronn im Schwarzwald. Dr. von Meißner ist PA-Beauftragter des Instituts für fachübergreifende Fortbildung und Versorgungsforschung der MEDI-Verbünde. Das Problem liege vielerorts in der Refinanzierung, sagt er. Aus den laufenden Honoraren ließen sich PA nicht bezahlen. Und Abrechnungsziffern für deren Leistungen suche man vergeblich. 

In Baden-Württemberg biete zumindest die Hausarztzentrierte Versorgung knapp 30 % höhere Durchschnittshonorare, betont Dr. von Meißner. Die Finanzierung der PA im budgetierten KV-Bereich könne hingegen schwierig sein. Immerhin lasse sich der Beruf der MFA durch ein mögliches PA-Studium attraktiver machen – auch für Männer. Aber es fehle an den rechtlichen Rahmenbedingungen, kritisiert der Hausarzt. Er fordert dringend Neuregelungen, sowohl im EBM als auch bei den Haus- und Facharztverträgen. Bislang seien es hauptsächlich MFA aus dem Umfeld der Praxen, die sich für ein PA-Studium entscheiden. Das werde sich aber ändern, so der Hausarzt. Doch egal, ob berufserfahrene MFA oder frischer Hochschulabsolvent: Um Reibereien und Kompetenzgerangel innerhalb des Praxisteams zu vermeiden, müssten die PA-Aufgaben immer klar verteilt sein, erklärt. Das bedeute, genau zu definieren, was delegierbar sei und was nicht. Als besonders entlas­tend empfindet er zum Beispiel die Arbeit seiner beiden PA in der Akut­sprechstunde. Auch bei den DMP und beim Bauchaortenscreening, bei Insulinumstellung und Blutdruckeinstellung seien sie eine große Hilfe.   

Modell der Arbeitsverteilung in einer Teampraxis

 

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Quelle: KVWLkompakt 11/2022

Manch junger Arzt fühlt sich da bedroht: „Mit dem PA schafft sich unser Berufsstand selbst ab und sorgt mittel- und langfristig für eine deutliche Qualitätsminderung und eine Gefährdung unserer Patienten“, schreibt etwa Dr. Jonathan Stümer, Arzt in Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin am Klinikum Bamberg, im Hessischen Ärzteblatt. Substitution lasse sich dabei nicht vermeiden. Solchen Bedenken entgegnet Dr. von Meißner: „Nichts wird delegiert, ohne dass der Arzt das letzte Wort hat.“ Er selbst würde am liebsten „alles delegieren, was delegierbar ist“. 

Medical-Tribune-Bericht