„Noch weniger Hausbesuche sind ethisch nicht vertretbar“
Nachdem die Lokalpresse über die im Schwalm-Eder-Kreis liegende Gilserberger Hochlandpraxis berichtet hatte, stieg sogar der „Spiegel“ in das Thema ein: Die KV verlangt von einer Landarztpraxis für die Jahre 2012 bis 2014 eine Honorarrückzahlung im fünfstelligen Euro-Bereich. Die Praxis habe, so das Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, 200 bis 220 % mehr Hausbesuche als der Fachgruppendurchschnitt abgerechnet.
„Wir können es ethisch nicht vertreten, noch weniger Hausbesuche zu machen“, sagt Hausarzt Nils Wagner-Praus. Aufgrund des Verfahrens hat die Praxis die Zahl ihrer Hausbesuche bereits von 2500 auf 1400 reduziert.
Prüfungsausschuss: Nicht alle Hausbesuche waren nötig
Dabei sei ein Hausbesuch aus rein finanzieller Sicht wenig lukrativ. Für fünf Besuche benötige man zwei Stunden und erhalte dafür 110 Euro Honorar. „In dieser Zeit kann ich in der Praxis deutlich mehr Patienten behandeln. Aber die Arbeit auf dem Land macht mir einfach Spaß“, sagt der Arzt.
Der Prüfungsausschuss der KV wirft dem Hausarzt und seiner Praxis-Partnerin vor, dass nicht alle Hausbesuche notwendig gewesen seien. „Auch in zweiter Instanz, im Berufungsausschuss, sind die Prüfärzte zu dem Ergebnis gekommen, dass für manche Hausbesuche keine medizinische Begründung vorliegt“, berichtet ein KV-Sprecher.
Wagner-Praus weiß zwar, dass nicht bei all seinen besuchten Patienten eine sogenannte Immobilitätsdiagnose, die einen Hausbesuch im Zweifel rechtfertigt, vorliegt. Trotzdem erspart der Arzt beispielsweise einem fiebernden Kind oder einem Pneumonie-Patienten gerne den Weg in die Praxis. Zudem es, so Wagner-Praus, in der Gegend von Gilserberg keinen öffentlichen Nahverkehr gibt.
„Die KV sollte den Korridor für Landärzte nach oben setzen“
Der Hausarzt zweifelt grundsätzlich am System; so hinke schon der Vergleich mit einer Gruppe, die sowohl Ärzte aus ländlichen Regionen als auch Kollegen aus Großstädten wie Wiesbaden und Frankfurt miteinbeziehe. „Die KV könnte das ändern, indem sie den Korridor für Landarztpraxen nach oben setzt“, sagt der Allgemeinarzt.
Auffällig wurde die Praxis schon einmal in den Jahren 2000 und 2004. Damals setzte sich aber laut Wagner-Praus der Prüfer mit den ländlichen Gegebenheiten auseinander und beurteilte die Praxis als wirtschaftlich arbeitend.
Das zu begleichende Honorar kann nun von der Praxis über zwölf Quartale hinweg abgestottert werden. „Sollten wir künftig aber noch einmal auffällig werden und einen Rückforderungsbescheid erhalten, schalten wir unseren Rechtsanwalt ein“, kündigt der Landarzt an.