Für Ärzte, die eine Niederlassung anstreben, aber das finanzielle Risiko einer Praxisgründung scheuen, besteht ggf. die Möglichkeit, übergangsweise als Angestellte in einer KV-eigenen Praxis zu arbeiten. Dies gilt vor allem für Ostdeutschland, die West-KVen tun sich damit schwer.
Eigeneinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sollen Vertragsärzten nicht nur als Start-up für eine eigene Niederlassung dienen, sondern auch dazu beitragen, Engpässen in der ambulanten medizinischen Versorgung entgegenzuwirken, wenn sich diese anders nicht beheben lassen.
Die KV Thüringen (KVT) hat seit 2009 neun solcher Einrichtungen ins Leben gerufen. In Brandenburg laufen aktuell zwei hausärztliche Praxen unter KV-Flagge. Die KV Sachsen-Anhalt nennt seit 2010 neun Einrichtungen ihr Eigen, davon fünf haus- und vier fachärztliche Praxen.
„Eigeneinrichtungen sollen kein Massenphänomen werden“, sagt Veit Malolepsy, Sprecher der KVT. Voraussetzungen seien eine drohende Unterversorgung sowie ein freier Arztsitz, der sich nicht herkömmlich besetzen lässt. Die Festlegung der Standorte richtet sich nach dem Bedarfsplan der ambulanten ärztlichen Versorgung. „Wir betrachten die Praxen zudem als eine Art Niederlassungsfahrschule, um interessierten Ärztinnen und Ärzten den Einstieg in die ambulante Tätigkeit zu erleichtern“, so Malolepsy.
Grundlage fürs Errichten KV-eigener Praxen bildet der § 105 Abs. 1 SGB V, der die Fördermöglichkeit zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung unter bestimmten Bedingungen erlaubt (s. Kasten).
Stiftung bezahlt Räume, Gehälter und Investitionen
Im thüringischen Ilmenau hat Dr. Christin Grahmann diese Chance zur Niederlassung im Sommer letzten Jahres ergriffen. Die 35-Jährige war zunächst als Oberärztin für Gynäkologie tätig, bevor sie sich zu einer Weiterbildung zur Allgemeinärztin und für den ambulanten Sektor entschied. „Eine Neugründung kam für mich aufgrund des hohen wirtschaftlichen Risikos allerdings nicht infrage“, so Dr. Grahmann.
Die 2009 zwischen der KV und dem Freistaat Thüringen errichtete „Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung“ bot ihr schließlich an, in eine Förderpraxis einzusteigen. Die Stiftung stellt die Praxisräume, trägt die Investitionskosten und bezahlt die Gehälter für die Ärztin und das medizinische Fachpersonal. Die Praxiseinnahmen gehen bis zu einer eventuellen Übernahme an die Stiftung.
„Die Festgehälter orientieren sich an den gängigen Tarifen“, erläutert Malolepsy. Im Idealfall seien die Investitionen für die KV kostendeckend, insbesondere bei einer Übernahme der Praxis, die im Regelfall nach etwa zwei Jahren stattfindet.
So geht auch Dr. Grahmann davon aus, ab Sommer nächsten Jahres als Selbstständige weiterzuarbeiten. „Der Zulauf ist gut. Im letzten Quartal hatte ich bereits 800 Patienten“, berichtet die Allgemeinärztin.
Eine Übernahme der Stiftungspraxen ist zwar im Sinne der KV, aber nicht zwingend erforderlich. Auch seien die Förderungen nicht erfolgsabhängig, betont Malolepsy.
Von den insgesamt neun hausärztlichen Einrichtungen der KVT werden aktuell fünf in Eigenregie der Ärzte weitergeführt, darunter die Gemeinschaftspraxis der aus Österreich stammenden Allgemeinärzte Dr. Werner Plörer und Dr. Vaitsa Dimitriadou. Für das Ehepaar war die Stiftungspraxis die Gelegenheit, gemeinsam in eine Niederlassung zu starten. „In Österreich ist es ungleich schwieriger, eine Gemeinschaftspraxis zu eröffnen“, erklärt Dr. Plörer. Seit nunmehr vier Jahren führen er und seine Frau die Praxis erfolgreich auf eigene Kosten weiter.
In Sachsen-Anhalt wurden bislang drei hausärztliche Praxen von der KV an Ärztinnen bzw. Ärzte übergeben. „Eine weitere Praxis wurde von einem MVZ mit einer angestellten Ärztin weiterbetrieben“, so KV-Sprecher Bernd Franke.
Probleme mit den Kassen oder der Rechtsaufsicht habe es in Thüringen nie gegeben, da der Landesausschuss die Förderung grundsätzlich befürworte, sagt Malolepsy. Künftig sollen, wie bereits in Sachsen-Anhalt, auch Förderpraxen für die fachärztliche Versorgung, z.B. im augenärztlichen Bereich, entstehen.
Nur eine Interimslösung mit Einschränkungen
Westdeutsche KVen tasten sich noch vorsichtig an das Thema heran. So hat die Vertreterversammlung der KV Baden-Württemberg Mitte März beschlossen, dass Eigeneinrichtungen auf „definierte Ausnahmesituationen im Sinne einer begrenzten Übergangsversorgung mit begrenztem Behandlungsangebot zur Behandlung akut und chronisch schwer Erkrankter“ zu beschränken seien, wenn eine Versorgung auf andere Weise durch Niedergelassene nicht sichergestellt werden kann. Auch müssten Mittel der Krankenkassen für die Mehraufwendungen zur Verfügung gestellt werden. Aktueller Bedarf für solche Einrichtungen besteht laut KV-Sprecherin Marion Furtwängler bislang nicht.
In Bayern dagegen soll auf Beschluss des Vorstands eine erste KV-eigene Praxis im Bereich Feuchtwangen entstehen. Eigeneinrichtungen seien aber nur als Interimslösung zu verstehen, betont die KV. Der Betrieb werde beendet, wenn der Landesausschuss die Unterversorgung aufhebt bzw. der zusätzliche lokale Versorgungsbedarf gedeckt sei.
Aus Sicht des Rheinland-Pfälzer KV-Chefs Dr. Peter Heinz böte das Modell auch Potenzial, um das Problem der Praxisnachfolge zu regeln. „Wir kommen in den nächsten vier Jahren mangels fehlender Interessenten für eine Praxisübernahme in allen Regionen in eine große Bredouille.“ Er moniert, dass es den KVen nach dem Gesetz verwehrt ist, hierfür Eigeneinrichtungen gründen zu dürfen.