Entlastungsassistenz Fortbildung lohnt sich

Praxismanagement , Team Autor: MT-Redaktion

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Im PNP-Facharztvertrag von AOK Baden-Württemberg und Bosch BKK unterstützen „Entlastungsassistentinnen in der Facharztpraxis“ (EFA®) ihre Ärztinnen und Ärzte. Sie übernehmen delegationsfähige Aufgaben, stärken die Patientenbetreuung und werten das Berufsbild der MFA auf.

Es gibt vier Schwerpunkte (MS, Demenz, Parkinson und Epilepsie), für die einzeln oder gemeinsam eine Fortbildung zur Neuro-EFA angeboten wird. Liegt bereits der Nachweis einer medizinischen Weiterbildung (Grundmodul) vor, bedarf es zur Komplettierung nur eines achtstündigen Online-Aufbaumoduls. Das beinhaltet Themen wie nicht-medikamentöse Versorgung, Gesundheitsinformationen und unterstützende Angebote, Behandlungsdiagnosen und Kodierung.

Ohne Grundmodul kann die vollständige Weiterbildung zur Neuro-EFA für einen Schwerpunkt in einem 28-stündigen Curriculum erworben werden. Zuständig ist das Institut für fachübergreifende Fortbildung und Versorgungsforschung der MEDI Verbünde (IFFM), das eine Kombination von analogen und digitalen Schulungen auf dem Mediverbund Capus anbietet. „Das bringt für viele MFA Vorteile“, so Geschäftsführer Philipp Reutter. „Sie sparen Zeit durch den Wegfall der Anreise und können Feierabende oder Wochenenden flexibel zum Lernen nutzen, was gerade MFA mit Familie sehr entgegenkommt.“

Bis zu 300 EFA-Zuschläge pro Vollzeitkraft

Honoriert wird die Tätigkeit einer Neuro-EFA im Selektivvertrag mit einem Zuschlag (NQ2) von zehn Euro pro Quartal für Patienten, die erkrankungsbedingt einer besonderen Betreuung und Beratung bedürfen. Der Zuschlag erfolgt, wenn die Tätigkeit in einer Praxis mindestens 50% einer Vollzeitkraft entspricht. Pro Vollzeitkraft werden einer Praxis bis zu 300 EFA-Zuschläge vergütet. Von 121 EFA haben aktuell 44 das Online-Aufbaumodul besucht und sich damit zur Neuro-EFA fortgebildet. Das Aufbaumodul kostet für MEDI-Mitglieder 99 Euro und für Nicht-Mitglieder 199 Euro. Die 28-stündige Weiterbildung schlägt für MEDI-Mitglieder mit 799 Euro zu Buche und für Nicht-Mitglieder mit 999 Euro.

Um die Kenntnisse auf dem aktuellen Stand zu halten, absolvieren die Neuro-EFA jährlich einen fachspezifischen Qualitätszirkel. Seit 2023 dient ein Manual als Nachschlagewerk, um Wissen parat zu haben.

Prof. Dr. Wolfgang Freund, Landessprecher für Baden-Württemberg im Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN), unterstreicht: „Ohne funktionierende Teampraxen mit Delegation von Aufgaben an qualifizierte EFA wird der wachsende Versorgungsbedarf in naher Zukunft nicht mehr zu bewältigen sein.“ In Zeiten zunehmender Ambulantisierung und immer komplexerer Therapiekonzepte stellten die EFA eine deutliche Entlastung dar, so Prof. Freud. „Das niederschwellige Gesprächsangebot mit der EFA wird von vielen Patienten dankbar angenommen und die pharmaunabhängige Schulung der Patienten ist zeitgemäß. Nach der Injektionsschulung besteht oft ein besonderes Vertrauensverhältnis zur EFA. Ein Investment in die Fortbildung zur Neuro-EFA lohnt sich daher auf jeden Fall.“

Persönliche und fachliche Weiterentwicklung

Ein wichtiges Ziel der Facharztverträge ist eine intensive, die Therapie flankierende Betreuung von Patienten durch die EFA. So soll der Umgang mit der Erkrankung durch Selbstwirksamkeit und Krankheitsverständnis positiv beeinflusst werden. „Die Fortbildung befähigt die EFA zur Übernahme einer Vielzahl delegierbarer Aufgaben. Sie bedeutet eine persönliche und fachliche Weiterentwicklung der MFA-Kompetenzen“, erklären Isabelle Gaßner und Stefanie Teifel, beide Mitarbeiterinnen des IFFM-Partners MFA-Akademie.

Die Erfahrung zeige, dass das Einsatzgebiet sehr von der Praxisstruktur abhängig sei. Gaßner, die selbst EFA ist, erzählt: „Nach der Fortbildung hat man ein ganz anderes Krankheitsverständnis, einen engeren Bezug zu den Patienten und kann die Ärzte auf einem anderen Niveau unterstützen. Um das Potenzial richtig auszuschöpfen, sind auch strukturelle Veränderungen in der Praxis nötig. Dazu gehören neue Arbeitsabläufe, Personalplanung und letztlich die Bereitschaft, Verantwortung abzugeben.“

Das lässt sich delegieren

Beispiele für delegierbare Aufgaben der Neuro-EFA® im PNP-Vertrag

  • strukturierte Vorgespräche und standardisierte Erhebung der Vor-Anamnese
  • selbstständige Durchführung definierter Vordiagnostik
  • Medikamentöse Versorgung, Therapieüberwachung, Medikamentencheck
  • niederschwelliges Gesprächsangebot
  • Injektionsschulung (Medikamente zur Selbstinjektion)
  • Organisation von Patientenschulungen 
  • Abrechnung und ICD-Kodierung
  • Begleitung der Patienten bzw. Angehörigen/Betreuer 
  • weiterführende Patienteninformationen (u.a. Gesundheitsangebote von AOK und Bosch BKK sowie nicht-medikamentöse Maßnahmen)
  • ergänzende Beratung zu psychosozialen Fragen, z.B. Rehabilitation, Reha-Sport Rentenantrag, Kfz-Fahreignung, Patientenverfügung
  • Schnittstellenmanagement (u.a. Apotheke, Klinik, Pflegedienst, Hausarztpraxis/VERAH)

Dr. Udo Härle, Mitbegründer des Zentrums für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie in Asperg, berichtet: „Unsere beiden Neuro-EFA Andrea Gäckle und Sabine Kratz entlasten uns Ärzte seit Jahren sehr wirkungsvoll. Durch ihr vertieftes Wissen können sie speziell für die Bereiche Demenz und MS selbstständig Aufgaben übernehmen, für die früher eine Ärztin oder ein Arzt teilweise oder ganz notwendig war.“

Neuro-EFA Andrea Gäckle mit Schwerpunkt Demenz sagt: „Das vertiefte Wissen gibt mir mehr Sicherheit in der Beratung. Es fördert das Verständnis für die Patienten und Angehörigen. Eine wichtige Routineaufgabe ist die Auswahl der infrage kommenden Testungen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Beratung von Angehörigen. Dazu zählen rechtliche und finanzielle Fragen und Ratschläge etwa für Ernährung oder körperliche Aktivität.“

Nebenbei eine positive Patienten-Praxis-Bindung

Weiterhin unterstützt Gäckle Angehörige bei Patientenverfügungen sowie Vorsorgevollmachten und hilft bei der Organisation der Tagespflege. Hilfreich sei bei Bedarf auch die Vermittlung an den Sozialen Dienst der AOK. „Die Angehörigen sind für diese Betreuung oft sehr dankbar. Nebenbei fördert es eine positive Patienten-Praxis-Bindung“, schildert Gäckle. „Wie sich die EFA nach der Ausbildung einbringt, hängt von ihr selbst und den Ärzten ab. Für mich persönlich ist die EFA ein echtes Erfolgskonzept.“

Medical-Tribune-Bericht