Freies Patienten-Fluten oder lieber Terminvergabe?
Bei einer offenen Sprechstunde fällt für Arzt wie Team ins Gewicht, dass der organisatorische Aufwand, den eine Terminsprechstunde mit sich bringt, quasi komplett entfällt. Das Telefon ist ruhiger und die vielen Gespräche, die im Zusammenhang mit einer Terminvergabe geführt werden müssen und die damit ein Zeit- und Stressfaktor sind, entfallen.
Ohne Zeitvorgabe sind Patienten oft entspannter
Auch die Patienten selbst sind oft entspannter: Sie wissen, dass Sie jederzeit zu ihrem Arzt kommen können und fühlen sich entsprechend willkommen in der Praxis. Gleichzeitig ist ihnen klar, dass das ggf. mit längeren Wartezeiten verbunden sein kann. Zeichnet sich zu einem konkreten Zeitpunkt ab, dass es im Wartezimmer sehr geballt ist, tritt eine natürliche Selektion ein: Wer nicht "ganz so krank" ist oder am nächsten Tag auch noch Zeit hat, entscheidet sich vielleicht gegen das längere Warten und trägt dazu bei, dass sich die Situation von selbst wieder ein bisschen entspannt.
Praxisrisiko: Arbeitsbedarf ist nicht immer kalkulierbar
Noch ein Vorteil der offenen Sprechstunde: Notfälle und Krankenhausentlassungen werfen den kompletten Tagesplan nur bedingt durcheinander. Und Patienten, die man selbst gerne am nächsten Tag oder in der nächsten Woche sehen möchte, lassen sich auch leichter in eine offene Sprechstunde integrieren als in einen fixen Wochenplan.
Als Nachteil einer offenen Sprechstunde empfinden allerdings viele Niedergelassene, fremdgesteuert zu sein, keinen Einfluss auf den Arbeitstag und die Abläufe zu haben. Schließlich weiß niemand, welcher Patient in der Sprechstunde erscheinen wird. Ein Effekt dabei ist, dass niemand den Zeitbedarf kalkulieren kann – Mittagspausen und Feierabende werden zu einer relativ unkalkulierbaren Größe.
Mit Terminsystem sind Arzt und Personal flexibler
Mit der Vorgabe der Termindauer und -anzahl ist eine Sprechstunde zu strukturieren. Arzt und Angestellte können in der Regel (Ausnahme Notfälle) ihre Arbeitszeit selbst bestimmen. Ein "ich muss heute früher gehen" ist so steuerbar und möglich.
Die "Dramatik" der Beratungsanlässe sind meist vorab bekannt, da der Grund des Arztbesuches erfragt werden kann. Die Häufung bestimmter Beratungsanlässe ist regulierbar (z.B. Vermeidung von mehreren psychosomatischen Gesprächen hintereinander). Der eine Arzt sieht es vielleicht als Herausforderung an, dem anderen bereitet es Stress, wenn drei psychologisch schwierige Patienten in Folge vorsprechen.
In einem offenen System dagegen ist es schwieriger, Termine, die mehr Zeit beanspruchen, oder Teamsitzungen zu integrieren. Genauso wenig können zeitlich differenzierte Sprechzeiten für GKV-/ PKV-/IGeL-Patienten eingerichtet werden. Und auch die bewusste betriebswirtschaftliche Steuerung bzw. die therapeutische Einbestellung für chronisch kranke oder Depressionspatienten ist ohne Terminsprechstunde schwieriger.
Wichtig ist: Im Einzelfall muss jede Praxis abwägen, welches System für sie optimal bzw. welche Mischung die richtige ist. Wer sich für die Mischung entscheidet, sollte steuernde Faktoren einsetzen, wie etwa das Aussetzen der Arztwahl bei akut Erkrankten in einer Gemeinschaftspraxis oder die Vorgabe, dass nur akute Beschwerden zum Zug kommen sollen bzw. dass der Termin maximal fünf oder zehn Minuten dauern darf.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht