Fachkräftemangel Kosmetikerin, Koch oder Verkäuferin in der Praxisverwaltung

Praxismanagement , Team Autor: Isabel Aulehla

Die Weiterbildung zur Praxisassistenz könnte bald schon bundesweit verfügbar sein und dem Personalmangel entgegenwirken sowie MFA entlasten. Die Weiterbildung zur Praxisassistenz könnte bald schon bundesweit verfügbar sein und dem Personalmangel entgegenwirken sowie MFA entlasten. © blende11.photo – stock.adobe.com

Um den Fachkräftemangel zu mildern, bildet man in Regensburg Quereinsteiger für die Arbeit in Praxen weiter. Sie können administrative oder unter Anleitung einfache medizinische Aufgaben übernehmen. Das Modell könnte sich bundesweit ­verbreiten.

Nicht alle Tätigkeiten in einer Praxis erfordern medizinische Vorkenntnisse. Die Organisation der Sprechstunden, das Aushändigen von Rezepten oder die Terminvergabe beispielsweise könnten auch Quereinsteiger übernehmen, argumentiert das Regensburger Ärztenetz. Angesichts des Fachkräftemangels hat es eine Weiterbildung initiiert, die Fachfremden erste Kenntnisse über die Abläufe in den Praxen vermitteln soll. Auch Niedergelassene nehmen an dem Projekt teil – entweder weil sie Quereinsteiger suchen oder bereits welche eingestellt haben, die sie weiterbilden möchten. 

Alle Teilnehmenden erhalten einen Arbeitsvertrag in einer der Praxen, sofern sie nicht schon beschäftigt sind. Ihnen ist also der Job gewiss, den Ärzten der Personalzuwachs. Die Kursgebühren von 1028 Euro übernimmt zu Teilen die Bundesagentur für Arbeit. Sie wirbt auch vereinzelt Interessierte an, die sich die Tätigkeit in der Praxis vorstellen können. 

Die ursprünglichen Berufsfelder der Teilnehmenden sind bunt gemischt: Im ersten Durchlauf nahmen unter anderem eine Innenarchitektin, eine Kosmetikerin und eine Verkäuferin teil. Vor Kurzem ist das zweite Seminar gestartet. Innerhalb von zehn Wochen sind sechs Theoriemodule und ein Betriebs­praktikum zu absolvieren.

Kompakter Lehrplan

Das Seminar ist in folgende Module gegliedert:

  • Patienten empfangen und begleiten

  • Betriebsorganisations- und Verwaltungsprozesse

  • Praxishygiene und Schutz vor Infektionskrankheiten

  • Zwischenfällen vorbeugen und in Notfallsituationen Hilfe leisten

  • Bei Diagnostik und Therapie von Erkrankungen assistieren und steril arbeiten

  • Medizinische Terminologie

  • Betriebliche Praxisphase

Zehnwöchiger Kurs umfasst Theorie und Praktikum

Anfangs lernen die Quereinsteiger, wie sie Patienten empfangen und begleiten, dann folgt ein Einblick in Betriebsorganisations- und Verwaltungsprozesse, Praxishygiene, Notfallsituationen, steriles Arbeiten und medizinische Terminologie. Am Ende dürfen sich die Absolventen „Praxisassistenz“ nennen.

„Nach dem Kurs müssen die Teilnehmenden in den Praxen aber noch weiter lernen, das ist klar“, sagt ­Daniela Hoxhold, Geschäftsstellenleitung des Regensburger Ärztenetzes. Es sei Eigeninitiative gefragt, um sich etwa den Fachjargon anzueignen. Sie nennt ein breites Feld von Aufgaben, die übernommen werden können: Terminvergabe, Unterstützung bei der Abrechnung, Dienst- und Urlaubsplanung sowie Warenwirtschaft. 

Auch medizinische Tätigkeiten kommen infrage, falls der Arzt sie delegiert – beispielsweise Blutabnahmen. „Das ist ein heiß diskutiertes Thema“, betont Hoxhold. „Aber der Arzt entscheidet, ob und an wen er delegiert. Er hat eine Auswahlpflicht, eine Anleitungspflicht und eine Überwachungspflicht. Er kann auch nicht-medizinisches Personal dahingehend anleiten.“ Künftig wolle das Ärztenetz in anderen Weiterbildungen auf die Wundversorgung und das Impfen eingehen. 

Gewerkschaft der MFA sieht Patientensicherheit gefährdet

Der Verband medizinischer Fachberufe äußerte sich bereits kritisch zur Übernahme medizinischer Tätigkeiten durch Quereinsteiger. Sie gefährde die Patientensicherheit, meint Verbandspräsidentin ­Hannelore König. Am Empfang und bei der Terminvergabe am Telefon finde eine Triage statt, für die man die Situation der Patienten einschätzen können müsse. Beim Vorbereiten von Rezepten müsse zudem die Gesamtmedikation im Blick behalten werden. Insbesondere bei Menschen mit chronischer oder schwerer Erkrankung seien die Zusammenhänge komplex. Es existiere nicht umsonst eine dreijährige Ausbildung zur MFA. 

Wie weit lassen sich die Regeln der Delegation auslegen?

Welche Leistungen Ärzte an nicht-ärztliches Personal delegieren dürfen, ist in einer Vereinbarung zwischen KBV und GKV-Spitzenverband geregelt. Als „typische Mindestqualifikation“ ist bei den meisten Tätigkeiten „Medizinische/r Fachangestellte/r“ genannt. Gleichzeitig heißt es aber, die Qualifikation könne auch durch den Abschluss einer vergleichbaren medizinischen oder heilberuflichen Ausbildung nachgewiesen werden. Die Delegation an Auszubildende ist ebenfalls möglich, allerdings ist der Arzt zu besonderer Sorgfalt verpflichtet und muss sich von den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten überzeugen.

MFA und Quereinsteiger verdienen ähnlich wenig

Ein weiterer Kritikpunkt ist das Gehalt: Medizinische Fachangestellte verdienen gemäß Tarif bei Berufseinstieg nur wenig mehr als den Mindestlohn. Da die Quereinsteiger diesen ebenfalls erhalten sollten, ist die Bezahlung ähnlich der der ausgebildeten Fach­angestellten. Dies bringe das Gehaltsgefüge in Schieflage und gefährde den Betriebsfrieden, gibt König zu bedenken. 

Dagegen argumentiert Hoxhold, dies spreche nicht gegen die Weiterbildung von Quereinsteigern, sondern zeige, dass sich an den Gehältern der MFA dringend etwas tun müsse. „Wir wollen MFA nicht ersetzen, sondern entlasten“, betont sie. 

Letztlich müssen Praxisinhaber selbst abwägen, wie sie zu dieser Thematik stehen und ob sie Quereinsteiger beschäftigen möchten. Künftig könnten die Kurse bundesweit verfügbar sein. Es bestehe großes Interesse bei anderen Ärztenetzen, berichtet Hoxhold. Sie sei in viele Regionen eingeladen, um das Projekt vorzustellen. 

Im Mai wird ein Kurs in Bamberg stattfinden, im Juni und Oktober gibt es ihn online. Ärzte, die Quereinsteiger weiterbilden möchten oder welche suchen, können sich bei ihrer regionalen Stelle der Bundes­agentur für Arbeit melden und den Kurs beantragen. Auch das Regensburger Ärztenetz steht bei Fragen zur Verfügung.

Medical-Tribune-Bericht