Pflegekompetenzgesetz Mehr Delegation oder Substitution ärztlicher Leistungen?

Praxismanagement , Team Autor: Michael Reischmann

Pflege kann viel mehr als sie darf, meint der Bundesgesundheitsminister und wird tätig. Pflege kann viel mehr als sie darf, meint der Bundesgesundheitsminister und wird tätig. © mojo_cp – stock.adobe.com

Pflegefachkräfte sollen künftig neben Ärztinnen und Ärzten selbstständig erweiterte heilkundliche Leistungen erbringen können. Das sieht der Referentenentwurf des BMG zum Pflegekompetenzgesetz vor. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband mag zwar die teambasierte, interprofessionelle Zusammenarbeit, meldet aber Klärungsbedarf an.

Anlässlich einer Fachanhörung zum geplanten Pflegekompetenzgesetz forderten Vertreter von ärztlichen Organisationen, Krankenkassen sowie aus der Pflegebranche Nachbesserungen.  Der Kabinettsbeschluss wird Anfang November erwartet. Ziel ist es, den Pflegeberuf aufzuwerten und besser mit anderen Gesundheitsberufen in der Versorgung zu verzahnen.

U. a. ist vorgesehen, dass Pflegefachpersonen gemäß ihrer Qualifikation erweiterte heilkundliche Leistungen wie das Management chronischer Erkrankungen oder die Verordnung von (Pflege-)Hilfsmitteln übernehmen können. Dafür ist ein Katalog zu erstellen.

Die Finanzierung der auf die Pflegefachpersonen übertragenen heilkundlichen Tätigkeiten über die häusliche Krankenpflege und über den EBM „wird jedoch zu Verwerfungen zwischen dem vertragsärztlichen und dem pflegerischen Bereich führen“, gibt der Verband der Ersatzkassen zu bedenken. „Es handelt sich um einen neuen Versorgungsbereich, der einer eigenständigen Rechtsgrundlage inklusive einheitlicher Vergütung bedarf.“

Dass Pflegefachkräfte bei Leistungen nach den §§ 36, 37 und 37c SGB V konkrete Empfehlungen zur (Pflege-)Hilfsmittelversorgung abgeben können sollen, findet die Zustimmung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands (HÄV). Allerdings weist dieser auf weiteren Regelungsbedarf hin, z. B. für den Fall, dass ausnahmsweise parallel eine Empfehlung durch eine Pflegeperson und eine ärztliche Verordnung ausgestellt wird. Wenn diese inhaltlich voneinander abweichen, müsse klar sein, wessen Entscheidung gilt.

Wer hält den Kopf für eine fehlerhafte Entscheidung hin?

Ob pflegerische Leistungen, heilkundliche Leistungen (z. B. häusliche Kranken-, medizinische Behandlungspflege) oder erweiterte heilkundliche Leistungen durch Pflegefachleute mit Hochschulabschluss, die bei Diabetes, chronischen Wunden und Demenz Aufgaben übernehmen, die bisher Ärztinnen/Ärzten vorbehalten sind, – in allen drei Feldern muss, so der HÄV, „klargestellt werden, wer die Verantwortung (einschließlich das Haftungsrisiko) für fehlerhafte Entscheidungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots trägt“. 

Insbesondere sei zu konkretisieren, ob lediglich erweiterte Delegations- oder zudem Substitutionsmöglichkeiten geschaffen werden. Dabei sollten nicht nur Pflegefachpersonen, sondern auch diesen qualitativ gleichzustellende nicht-ärztliche Gesundheitsberufe wie Verah oder Primary Care Manager per Delegation erweiterte heilkundliche Leistungen ausüben dürfen.

Bei der Überprüfung des EBM zur angemessenen Vergütung delegationsfähiger Leistungen sei darauf zu achten, dass hochwertige Gesundheitsleistungen nicht ungerechtfertigt herabgesetzt werden, betont der HÄV. Schließlich lägen die Anleitungs- und Überwachungspflichten sowie die Gesamtverantwortung für den Behandlungsverlauf weiterhin bei der Ärztin/dem Arzt. 

Der Deutsche Pflegerat, Dachverband von 18 Berufsverbänden aus der Pflege, dem Hebammenwesen und der Pflegewissenschaft, meint: „Ein eigenes Leistungsrecht für Pflegefachpersonen in der ambulanten und stationären Langzeitpflege sowie im Krankenhausbereich muss nun folgen. Die Möglichkeit der selbstständigen Erbringung von Aufgaben reicht allein nicht aus.“ Zu den Aufgaben sollten auch „Gesundheit fördern, Krankheit vorbeugen, Gesundheit wiederherstellen, Leiden lindern und ein würdevolles Sterben begleiten“ gehören.

Für das Amt des oder der Beauftragten der Bundesregierung für Pflege wünscht sich der Deutsche Pflegerat die Besetzung mit einer „hochqualifizierten Pflegefachperson mit Berufserfahrung“. Das Amt sollte sektorenübergreifend im SGB V und SGB XI verankert sein und „die Befugnis haben, Gesetze und Verordnungen zur Pflegequalität, zum Pflegepersonal und zu Pflegestandards zu gestalten sowie deren Einhaltung zu überwachen“.

Der AOK-Bundesverband findet die geplanten Regelungen „zu bürokratisch und zu kleinteilig“. Die Leistungen der Pflegeversicherung müssten einfacher und besser nachvollziehbar gestaltet werden.

Die Ersatzkassen begrüßen, dass die Prävention für pflegebedürftige Menschen in der häuslichen Versorgung gestärkt werden soll. Es sei aber nicht nachvollziehbar, diese Leistungen über die GKV zu finanzieren. Das sei Sache der sozialen Pflegeversicherung (SPV). Wenn der Gesetzgeber mit dem Gesundes-Herz-Gesetz GKV-Gelder für die Individualprävention umwidme für medikamentöse Therapien, hätten die Kassen kaum noch Spielraum für Präventionsleistungen in der Pflege.

Die Ampelregierung bleibe die grundlegende Stabilisierung der SPV schuldig. Für 2024 rechnen die Pflegekassen mit einem Defizit von 1,5 Mrd. Euro. 2025 könnten es 3,4 Mrd. Euro sein.