Praxisabgabe Warum Ihr 50. Geburtstag der Startschuss zum Verkauf ist
doctors|today: Herr Apel, seit mehr als 10 Jahren beraten Sie Praxisinhaber:innen beim Verkauf ihres "Lebenswerks". Mit welchen Problemen haben die abgebenden Ärzt:innen aktuell zu kämpfen?
Apel: Die Lage ist recht prekär. In den nächsten 15 Jahren ist etwa die Hälfte aller aktuell praktizierenden Hausärzte im rentenfähigen Alter oder sogar bereits in Rente – das Angebot an freiwerdenden Praxen ist also riesig. Demgegenüber steht eine eher geringe Nachfrage, denn bei den jungen, nachrückenden Ärzten beobachten wir gerade folgende drei Trends: Zum einen besteht generell eine gewisse Scheu vor der eigenen Niederlassung – Stichwort "Work-Life-Balance". Ein zweiter Punkt ist die Tendenz, sich nicht alleine niederlassen zu wollen, sondern sich die Sprechzeiten, Verantwortungen und Räumlichkeiten mit i.d.R. einem weiteren Kollegen teilen zu wollen. Die Praxen, die aktuell abzugeben sind, funktionieren aber in aller Regel ausschließlich als "One-man-Show", somit sind die Räumlichkeiten fast immer zu klein. Abgesehen davon wird mir manchmal angst und bange, auf welchem technischen Stand manche Praxen sind. Der dritte Punkt: Viele Ärzte wollen einfach Medizin machen! Und das am liebsten mit flexiblen Arbeitszeitverträgen. Sie wollen sich nicht um die Bürokratie drumherum kümmern. Sie wünschen sich daher eher ein Angestelltenverhältnis in einer Praxis – doch auch für dieses Modell sind die Praxen, die aktuell abzugeben sind, nicht geeignet.
doctors|today: Großes Angebot an ungeeigneten Praxen – geringe Nachfrage. Was raten Sie den abgebenden Praxisinhaber:innen, die Sie um Rat und Unterstützung bitten?
Apel: Man muss es leider klar sagen: 99,9% der hausärztlichen Praxisinhaber, die mich im Rentenalter mit diesem Anliegen kontaktieren, sind nicht vermittelbar. Nachfolger finden diejenigen, die frühzeitig, nämlich etwa mit ihrem 50. Geburtstag, anfangen, darüber nachzudenken, wie ihr Ausstieg aus dem Berufsleben aussehen soll, und die das entsprechend vorbereiten. Natürlich ist mir vollkommen klar, dass man sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht festlegen kann, wann man sich tatsächlich zur Ruhe setzt. Damit dieser 50. Geburtstag einen Sinn bekommt, müssen Sie sich Folgendes vorstellen: Selbst bei einer Praxis, deren Eckdaten einen Verkauf realistisch machen, haben Sie folgendes Problem: Zum einen zeigt die Erfahrung, dass die Inhaber es ab einem bestimmten Alter in der Praxis etwas ruhiger angehen lassen wollen und nicht unbedingt interessiert sind an neuen Patientenströmen. Sie werden mit ihren Patienten alt – man könnte sagen, der Patientenstamm vergreist. Für den abgebenden Arzt ist das völlig in Ordnung, der ist richtig glücklich damit. Aber seine Praxis wird damit unattraktiv für potenzielle Nachfolger. Aber machen wir ein anderes Gedankenmodell: Anstatt den Praxisbetrieb weiter runterzufahren, teilen wir den Arztsitz und stellen einen weiteren Arzt in Teilzeit ein. Der Inhaber behält "seine" Patienten und wir sehen gleichzeitig zu, dass wir mit dem neuen Arzt auch einen neuen Patientenzulauf bekommen. Um diese Weichen zu stellen, müssen Sie rechtzeitig mit der Planung beginnen — deshalb setzen wir den 50. Geburtstag als Startschuss.
doctors|today: Der angestellte Arzt ist somit der ideale Nachfolger und gleichzeitig wird die Praxis gerüstet, um sie zu zweit zu betreiben. Wie können Inhaber:innen die zweite Maßnahme – das Generieren neuer Patient:innen – am besten angehen?
Apel: Als Erstes sollten sie ihre Website prüfen. Ist diese uptodate oder veraltet? Ein Großteil der neuen Patienten findet seinen Weg über den Internetauftritt in die Praxis. Aber vergessen wir bei der Vorbereitung für einen Nachfolger nicht die Mitarbeiter. In vielen abgebenden Praxen sind auch diese mit dem Inhaber alt geworden und stehen kurz vor der Rente. Der neue Arzt weiß also, dass er in absehbarer Zeit neue Mitarbeiterinnen einstellen muss, und bekommt u.U. ein großes Problem: Er muss in ein über lange Jahre etabliertes, eingeschworenes Team neue, jüngere Mitarbeiterinnen einschleusen – zwischenmenschlich ein heikles Unterfangen. Deshalb: Bauen Sie vor! Beginnen Sie mit dem 50. Lebensjahr damit, neue, jüngere Mitarbeiterinnen – z.B. Auszubildende oder Teilzeitkräfte – einzustellen. Hierdurch gewöhnt sich das Team frühzeitig an frischen Wind und es hält die Praxis auch insgesamt jung.
doctors|today: Wenn alle Stricke reißen – welche Möglichkeiten gibt es für sogenannte unvermittelbare Praxen?
Apel: Manchmal gibt es die Möglichkeit, an ein MVZ zu verkaufen, doch auch hier wird hart verhandelt und die Angebote liegen am Ende preislich meistens ganz deutlich unter Praxiswert. In diesem Zusammenhang kann ich Praxisinhabern auch raten: Bitte geben Sie keinen einzigen Cent für eine Praxiswertermittlung aus! Das ist rausgeschmissenes Geld. Dies zeigt auch eine aktuelle Studie, in der über 20 Praxisbewerter beauftragt wurden, die gleiche Beispielpraxis zu bewerten. Im Ergebnis gab es Preisdifferenzen von über 200%. Ihre Praxis ist genau das wert, was Ihnen ein Käufer dafür zahlt.
doctors|today: Geben Sie Praxisinhaber:innen, die gerne rechtzeitig vorsorgen möchten, noch einen letzten Experten-Tipp mit auf den Weg?
Apel: An diese Ärzte möchte ich einen Appell richten. Schauen Sie sich Ihre Praxisräumlichkeiten gut an. Können hier zwei Ärzte vernünftig arbeiten? Und dann: Gehen Sie auf die nächste Medizinmesse und schauen Sie sich an, was heute die Technik alles zu bieten hat und was hiervon für Ihre Praxis sinnvoll wäre. Gäbe es ausreichend Platz für neue Gerätschaften für z.B. zusätzliche Untersuchungen? Wenn Sie beide Fragen mit "Nein" beantworten müssen, nutzen Sie die aktuell sinkenden Büroimmobilienpreise und schauen Sie sich nach neuen Praxisräumlichkeiten um. Sie werden mehr Platz brauchen, um das eben beschriebene Konzept, die Praxis verkaufsfähig aufzurüsten, umzusetzen.
HÖR-TIPP
Mehr über strategische Praxisentwicklungerfahren Sie im Podcast vonWolfgang Apel: www.medikom.org/podcast
Das Interview führte Yvonne Emard
Experte
w.apel@medikom.org
www.medikom.org
Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (6) Seite 56-57
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