Auftreten der Mitarbeitenden Was gegen Löcher in Haut und Hosen?

Praxismanagement , Team Autor: Anouschka Wasner

Lange Fingernägel können leicht zu einem Virenreservoir werden. Lange Fingernägel können leicht zu einem Virenreservoir werden. © juliamikhaylova – adobe.stock.com

Zerrissene Hosen, modische Accessoires an allen möglichen Körperteilen und lange, grellbunte Fingernägel: Wann dürfen Arbeitgeber in Praxen Vorgaben machen, wie Mitarbeitende aussehen sollen? 

Gerade war das Thema mal wieder vor Gericht: Wie weit darf der Arbeitgeber über das Aussehen des Beschäftigten entscheiden? Ein Produktionsmitarbeiter hatte jahrelang die in der Firmenkleiderordnung vorgesehene rote Schutzhose getragen. Dann erschien er auf einmal immer in schwarzer Hose zur Schicht. Der Arbeitgeber mahnte ihn zweimal ab und kündigte dann. Vor dem Arbeitsgericht bekam der Arbeitgeber Recht.

Der Arbeitgeber sei aufgrund seines Weisungsrechts berechtigt, die Farbe Rot für die Arbeitshose vorzugeben, da die Signalfarbe die Sichtbarkeit erhöhe, so das Gericht. Darüber hinaus kann sich ein Arbeitgeber auch auf die Corporate Identity, das einheitliche Auftreten der Belegschaft, berufen. Das subjektive Empfinden des Betroffenen war für die Richter kein Argument.

Der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel des VDAA – Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte erklärt dazu, es drehe sich bei solchen Entscheidungen um die Balance zwischen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers und dem grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten. Arbeitgeber dürfen mit einer guten Begründung Vorgaben zum Aussehen der Mitarbeitenden machen. Gerade hygienische Gründe, Sicherheitsvorschriften und Corporate Identity sind hier oft die Grundlage.

Wird in Arztpraxen einheitliche Kleidung vorgeschrieben, so geschieht das in der Regel genau aus solchen Gründen: um der Hygiene Willen, weil es der Corporate Identity entspricht und weil es Professionalität vermittelt. Auch in diesen Fällen obliegt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht. Arbeits- oder Berufskleidung wird allerdings selten bis ins Detail vorgeschrieben. Oft sind z. B. private Hosen und Schuhe erlaubt. Wichtig ist im medizinischen Bereich, dass alle Kleidungsstücke bei 60 °C bzw. mit desinfizierenden Verfahren waschbar sein müssen.

Offenbar modisch indiziert – aber leider nicht hygienisch

Und dürfen von der Praxisleitung Vorgaben zu Fingernägeln, Schmuck und Piercings gemacht werden? Hygieneexperten sprechen sich gegen lackierte Fingernägel und Ringe aus. Das RKI geht davon aus, dass künstliche Fingernägel ein erhöhtes Risiko für bakterielle Erreger und Pilze mit sich bringen. Wahrscheinlich sind die unvollständig dichten Ränder unter den Nägeln die Ursache dafür. Außerdem können Fingernägel auch ein Zufluchtsort für Viren sein. Zumal gestylte Fingernägel genauso wie empfindlicher Schmuck wahrscheinlich nicht ganz so intensiv desinfiziert werden, wie es in einer Arztpraxis notwendig ist.

Und selbst MFA, die sicherstellen können, dass sie tatsächlich ausschließlich am Empfang arbeiten, müssen manchmal strenge Vorgaben einhalten – dann allerdings aufgrund des Kundenkontaktes. Solange solche Regelungen das Privatleben nicht beeinträchtigen, sind sie in der Regel auch wirksam, so der Arbeitsrechtler. Wobei der gesellschaftliche Wandel Einfluss auf die Beurteilung des Erscheinungsbildes hat. In vielen Branchen sind z. B. Tattoos und modische Löcher in den Hosen heute völlig normal.

Wichtig ist: Die Vorgaben müssen immer begründet und gerechtfertigt sein. So ist etwa das Körpergewicht allein kein zulässiger Beurteilungsmaßstab. Starkes Übergewicht kann jedoch dazu führen, dass die Arbeit nicht vertragsgerecht erbracht wird. Dann könnte dieser Faktor eine Kündigung rechtfertigen. 

Die Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild dürfen auch nicht diskriminierend sein. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt vor Benachteiligung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Identität.

„Um klare Regeln zu schaffen, sollten Vorgaben zum Aussehen in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgehalten werden“, rät der Jurist. Dann würden die Mitarbeitenden die Regelungen eher akzeptieren und wüssten, dass sie eine Abmahnung oder Kündigung riskieren. Der Betriebsrat hat bei Regelungen über einheitliche Dienstkleidung ein Mitbestimmungsrecht.

Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.5.2024, Az. 3 SLa 224/24; Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 15.3.2024, Az. 1 Ca 1749/23