Befeuert das Ende der Richtgrößen jetzt die Einzelfallprüfung?
Die Richtgrößenprüfung wird abgelöst durch eine jährliche Prüfung auf Basis der durchschnittlichen Verordnungskosten einer Fachgruppe. Für KV-Chef Dr. Frank Bergmann ist das "eines der wichtigsten Verhandlungsergebnisse".
Zur Wirtschaftlichkeitsprüfung einer Praxis könne es erst kommen, wenn die Verordnungskosten innerhalb eines Kalenderjahres mehr als 50 % über dem Durchschnitt der jeweiligen Fachgruppe lägen – bei der Richtgrößenprüfung sei schon die 25-prozentige Überschreitung der Richtgröße Prüfanlass gewesen.
Das Prinzip "Beratung vor Regress" werde gestärkt. Bei einer erstmaligen Überschreitung der Verordnungskosten von mehr als 50 % wird zunächst beraten, etwaige Regresse sind erst für den Verordnungszeitraum nach der Beratung möglich.
12 000 Einzelfallprüfungen pro Jahr nicht ausgeräumt
Für Hausärzte wesentlich ist zudem die Ablösung der bisherigen vier DDD-Quoten für Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten durch den Medikationskatalog der KBV. Erfüllt eine Praxis alle für die Fachgruppe geltenden Quoten im Arzneimittelbereich, kommt es zu keiner Durchschnittswertprüfung. Wie bisher würden die Kosten der vereinbarten Praxisbesonderheiten aus dem Ausgabenvolumen der Praxis herausgerechnet.
Der Medikationskatalog zielt auf 22 Indikationen und teilt die zugelassenen Substanzen in Standard-, Reserve und nachrangig zu verordnende Wirkstoffe ein. Es sollen zu 73 % Standardwirkstoffe verordnet werden. Alle Indikationen des Medikationskatalogs werden in einer Quote abgebildet. Daneben gibt es Quoten für die Generika, sog. Me-too-Arzneimittel und Blutzuckerteststreifen.
Die Vereinbarung sei "ein weiterer Schritt zur inhaltlichen Steuerung der Arzneimittelverordnungen", so Dr. Bergmann. Die Ärzte sollten Diagnose und Therapie bzw. Auswahl der passenden Wirkstoffe verantworten, aber nicht die Arzneipreise.
"Gute Arzneimittelvereinbarungen auf regionaler Ebene lösen nicht das Problem der Hochpreispolitik der Pharmahersteller", meint Dirk Ruiss, Leiter der NRW-Landesvertretung des Ersatzkassenverbandes. Er fordert flankierende Regelungen des Gesetzgebers.
Doch Dr. Bergmann goss bei der Vorstellung der neuen Vereinbarung in Düsseldorf auch Wasser in den Wein. Denn "die rund 12 000 Einzelfallprüfungen pro Jahr bleiben von der neuen Vereinbarung unberührt." Dr. Jürgen Bausch, Ex-Vorsitzender der KV Hessen, befürchtet, dass die Krankenkassen nach dem Wegfall der Richtgrößenprüfung Beschäftigung in der Einzelfallprüfung suchen. Aus Hessen und Berlin habe er von einem sprunghaften Anstieg der Einzelfallprüfungen gehört.
Dr. Bergmann fordert eine "gute Informationsmatrix", damit die Kollegen sicher, indikationsgerecht und wirtschaftlich verordnen können und Innovationen schneller in den Markt vordringen. Im Fall besonderer Versorgungsaufträge hält der KV-Chef auch indikationsbezogene Selektivverträge für ein probates Mittel der Arzneiversorgung.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht