Cannabis Wann die telemedizinische Verschreibung strafbar sein kann

Verordnungen Autor: Anouschka Wasner

„Blüten inkl. Erstrezept ordern“, so die Aufforderung eines Anbieters von telemedizinischen Privatrezepten für Cannabis auf seiner Website. „Blüten inkl. Erstrezept ordern“, so die Aufforderung eines Anbieters von telemedizinischen Privatrezepten für Cannabis auf seiner Website. © ST.art – stock.adobe.com

Mit dem Medizinal-Cannabisgesetz steht der Umgang mit Cannabis zu medizinischen Zwecken unter gänzlich neuen Vorzeichen. Im Internet tummeln sich seitdem etliche telemedizinische Anbieter, die Privatrezepte ausstellen. Eine Juristin zu den Hintergründen.

Seit dem 1. April 2024 gehört Cannabis laut Gesetzgeber nicht mehr zu den Betäubungsmitteln, sondern zu den verschreibungspflichtigen Medikamenten. Telemedizinische Anbieter haben hier schnell ihre Chance gewittert. Um eine Vorstellung zu bekommen: Einer der größten Anbieter versorgt nach eigenen Angaben 20.000 Patientinnen und Patienten. In Internetforen wird seitdem eifrig diskutiert, wie man als Patient:in am besten vorstellig wird, um ein Privatrezept zu erhalten. Als niedrigschwelligste Indikation wird die Schlafstörung empfohlen. 

Die Strafrechtlerin Dr. Justine Diebel hat sich diese neue Praxis genauer angeschaut. Was sagt das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) dazu? Und was die ärztliche Berufsordnung? Denn die Erleichterungen bei der Verschreibung wie auch bei der Fernbehandlung machen diese Entwicklung zwar grundsätzlich möglich – trotzdem muss die Frage beantwortet werden, unter welchen Voraussetzungen Cannabis tatsächlich über das Internet privat verordnet werden kann und wann sich die Verschreibenden strafbar machen.

Einschränkungen wie im BtMG wären heute wenig logisch

Das MedCanG beinhaltet bewusst nicht mehr die strenge betäubungsmittelrechtliche Grenze für die Verschreibung von Cannabis, erklärt Dr. Diebel. Mit der Akzeptanz von Risiken, die sich beim gelockerten Freizeitkonsum ergeben könnten, wären Einschränkungen bei Cannabis in Apothekenqualität und von Ärzten verschrieben auf dem Niveau des Betäubungsmittelgesetzes nur schwer vermittelbar. Das Ultima-Ratio-Prinzip, nach dem vor der Verschreibung von Cannabis ärztlich geprüft werden musste, ob alternative Behandlungsmethoden in Betracht kommen, ist damit also obsolet.

Was dagegen unzulässig bleibt, ist eine Verschreibung, die nicht von Ärztinnen oder Ärzten im Rahmen einer Behandlung und damit zu Heilzwecken erfolgt. Verschreibungen, die ohne ärztliche Indikation erfolgen, sind als Scheinverschreibung anzusehen.

Aber was, wenn die Verschreibungen im Rahmen einer telemedizinischen Sprechstunde erfolgen? Grundsätzlich gilt für Fernbehandlungen, dass Behandlungen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst eine körperliche Untersuchung benötigen, nicht ausschließlich telemedizinisch stattfinden können, betont Dr. Diebel. Es gibt aber auch Situationen, in denen eine ausschließliche Fernbehandlung unproblematisch ist. Zum Beispiel dann, wenn der Krankheitszustand durch Vorlage von Arztbriefen oder Anamnesebögen aus früheren persönlichen Untersuchungen bekannt ist. Eine weitere Konstellation, in der die ausschließliche Fernbehandlung unproblematisch ist, wäre, wenn die Einschätzung des Gesundheitszustandes über den Bildschirm erfolgen kann. Da Cannabis aber insbesondere bei Leiden wie chronischen Schmerzen oder Schlafstörungen verschrieben wird, dürfte das häufig der Fall sein.

Fernbehandlung schließt die private Verschreibung von Cannabis also nicht aus. Die Voraussetzung dafür ist, dass entweder auf vorherige Untersuchungen zurückgegriffen werden kann oder das indizierende Krankheitsbild hinreichend im Rahmen der Fernbehandlung festgestellt werden kann. Verschreibende sollten auf eine gute Dokumentation achten. 

Quelle: Diebel J, Wenglarczyk F; medstra, 2024; 4: 220-227