Übergewicht bei Reizdarm: Wie wird behandelt?


Übergewicht und Adipositas sind mit einer Vielzahl an Komorbiditäten assoziiert – darunter auch mit dem Reizdarmsyndrom. Welche Besonderheiten sind bei der Diagnose zu beachten? Und wie erfolgt die Behandlung? Eine Europäische Leitlinie gibt jetzt Orientierung.1

Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts leiden häufig unter Übergewicht oder Adipositas. Die Ursachen können mit der Pathophysiologie der Grunderkrankung zusammenhängen oder zufällig sein – so auch bei Betroffenen mit dem Reizdarmsyndrom (RDS). Bislang war unklar, ob diese Patientengruppe spezielle diagnostische oder therapeutische Verfahren benötigt. Eine Europäische Leitlinie spricht jetzt multidisziplinäre und evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für diese Fragestellungen aus.1

Ernährungsstatus erfassen & Mangelernährung ausschließen

Der Ernährungsstatus (Mangelernährung, Sarkopenie, Übergewicht, Adipositas) sollte zum Zeitpunkt der Diagnose sowie im Verlauf mindestens einmal jährlich erfasst werden.

RDS-Patientinnen -und Patienten ernähren sich oft restriktiv, ohne vorher eine Ernährungsberatung aufzusuchen. Beispiele sind eine FODMAP-arme Ernährung (fermentierbare Oligo-, Di-, und Monosaccharide und Polyole) oder eine glutenfreie Kost. Beide Ernährungsformen können aber auch auf Dauer zu Defiziten verschiedener Nährstoffe führen:

  •  FODMAP -arme Ernährung: Ballaststoffe, Calcium, Eisen, Zink und Folat
  • Glutenfreie Ernährung: Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Eisen, B-Vitamine und Calcium

Zur Beurteilung des Ernährungsstatus sollten zumindest BMI, Gewichtsentwicklung, Appetit und Nahrungsaufnahme erfasst werden. Wird eine Mangelernährung vermutet, sind validierte Screening-Tools angezeigt, z.B. das „Malnutrition Universal Screening Tool (MUST)“ für Erwachsene.

Gemäß aktuellen Leitlinien gilt ein Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA)-Scan als akkurateste Methode, um die Körperzusammensetzung bei adipösen Personen zu messen, es können aber auch eine Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) oder eine Computertomographie (CT) durchgeführt werden.

Maßnahmen zur Gewichtsreduktion können helfen

Personen mit RDS und Übergewicht/Adipositas sollten für eine Besserung ihrer Symptome zum Gewichtsverlust mittels Ernährungsumstellung und körperlicher Bewegung ermutigt werden.

Personen mit Adipositas leiden häufiger unter RDS als die Normalbevölkerung. In der Literatur werden RDS-Prävalenzen zwischen 11,6 % und 24 % bei Erwachsenen mit Adipositas angegeben. Studien zeigen, dass Programme zur Gewichtsreduktion bei diesen Patientinnen und Patienten gleichzeitig zu einer signifikanten Besserung der RDS-Symptome führen können.

Bei einem BMI > 40 kg/m2 oder > 35 kg/m2 und gewichtsassoziierten Komorbiditäten kommt auch eine bariatrische OP in Frage, nachdem konventionelle Methoden zur Gewichtsreduktion ausgeschöpft wurden. Die Autorenschaft der Leitlinie warnt jedoch vor einer möglichen postoperativen Verschlechterung der RDS-Symptome sowie der Lebensqualität. Ein vorbestehendes RDS gilt dabei als unabhängiger Prädiktor für bestehende RDS-Symptome.

Kann auch eine medikamentöse Therapie zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden?

Medikamente zur Gewichtsreduktion können gemäß Ihrer Indikation auch bei RDS-Betroffenen eingesetzt werden. Zu beachten sind gastrointestinale Nebenwirkungen und Interaktionen mit bestehender Medikation.

Es gibt keine randomisiert-kontrollierten Studien zu Anti-Adipositas-Medikamenten, die speziell bei RDS-Betroffenen durchgeführt wurden. Daher wird in der Leitlinie auch keine spezifische Empfehlung für oder gegen die aktuell verfügbaren Medikamente ausgesprochen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass gastrointestinale Nebenwirkungen, insbesondere unter der Therapie mit Orlistat und GLP-1-Analoga, auftreten können. Daher bergen v. a. diese Optionen das Risiko für eine Verschlechterung der gastrointestinalen Symptome.

Literatur:
1.    Bischoff SC et al. European guideline on obesity care in patients with gastrointestinal and liver diseases – Joint European Society for Clinical Nutrition and Metabolism / United European Gastroenterology guideline. United European Gastroenterol J 2022;10:665-722.