Purpura Akute Okklusion erkennen

FOBI Dermatologie 2024 Autor: Friederike Klein

Die akuten Schmerzen der Ischämie gelten als Leitsymptom der retiformen Purpura. Die akuten Schmerzen der Ischämie gelten als Leitsymptom der retiformen Purpura. © wikimedia

Retiforme Purpura, Ulkus und extremste Schmerzen deuten auf einen dermatologischen Notfall hin. Abklären sollte man v. a. vorangegangene Ereignisse wie einen therapierten Schlaganfall. 

Ein 86-jähriger Mann erleidet im April 2023 einen Apoplex. Als Ursache vermuten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte ein Vorhofflimmern und leiten im Mai eine antikoagulative Therapie mit Apixaban ein. Zwölf Stunden später berichtet der Patient über stärkste Schmerzen, es treten erste Erosionen am Unterschenkel und am Knie auf. 

Einen Monat später stellt er sich mit bizarr konfigurierter Ulzeration am Unterschenkel und einer retiformen Purpura an Unterschenkel und Knie in der Universitätshautklinik in Hamburg-Eppendorf vor. Die Schmerzen hätten nicht abgenommen, sondern seien auf der visuellen numerischen Analogskala gar nicht mehr zu erfassen, berichtete Prof. Dr. Stefan Schneider, Universitätshautklinik Hamburg-Eppendorf. Zusätzlich war Fieber hinzugekommen. 

Ursache ist immer eine Okklusion

Wichtig ist das Erkennen der retiformen Purpura, betonte Prof Schneider: Sie kann auch nur am Rande des Ulkus und nur diskret erkennbar sein, bedeutet aber in dieser Konstellation einen Notfall. Die Ursache ist immer eine Okklusion gegebenenfalls mit Zerstörung der Hautgefäße – egal, ob eine Thromboembolie dahintersteckt oder eine Vaskulitis, Infektion bzw. Kalziphylaxie. 

Die starken akuten Schmerzen durch die Ischämie gelten als Leitsymptom, selbst wenn die Ursache noch nicht klar ist. Der Allgemeinzustand der Betroffenen ist in der Regel deutlich vermindert, teilweise mit Fieber wie beim vorgestellten Fall. Als mögliche Folgen drohen meist irreversible Nervenschäden, Darmischämien mit Koliken und blutigem Stuhlabgang, Gelenkschmerzen (z.B. bei Polymyalgia rheumatika), Nierenversagen oder ein nephrotisches Syndrom und Okklusionen in Herz, Auge und Gehirn.

Akute Schmerzen bei Okklusion von Hautgefäßen

Häufig wird versucht, die extremsten Schmerzen bei akuten Ischämien mit Opiaten zu kontrollieren. Das hilft oft so gut wie gar nicht. Das ist ein wichtiger Hinweis auf einen ischämischen oder einen entzündlichen Gefäßschaden, betonte Prof. Schneider. „So ein Patient wird mit niedermolekularen Heparinen (NMH) unter Umständen viel mehr Schmerzerleichterung erleben als mit 120 mg Oxicodon am Tag“, sagte er. Wenn der Verdacht eher in Richtung Vaskulitis geht, führt die Gabe von 30 mg Prednisolon rasch – häufig innerhalb von zwölf Stunden – zur fast völligen Beschwerdefreiheit.

Histologisch zeigt sich bei dem 86-Jährigen in Arteriolen ein Verschluss mit typischen Cholesterinspalten, woraufhin die Diagnose eines Cholesterinembolie-Syndroms gestellt wird. Das Syndrom kann als Folge einer Arteriosklerose auftreten, selten spontan, häufiger nach einer Angiografie. Beim Cholesterinembolie-Syndrom löst sich der Embolus von einem Plaque aus der Aorta oder der Iliakalarterie und führt – meist an distalen Extremitäten – zu einem Verschluss in peripheren Arterien oder Arteriolen. Auch Niere, Magen-Darm-Trakt, Herz, Gehirn und Auge können betroffen sein. 
„Deshalb ist es ein sehr akutes Krankheitsbild“, so Prof. Schneider. „Es muss rasch gehandelt werden, damit die Patienten eine Überlebenschance haben.“ 

Allerdings war der 86-Jährige nicht angiografiert worden. Es gibt Berichte, dass ein Cholesterinembolie-Syndrom auch nach Beginn einer Antikoagulation auftreten kann – egal ob mit NOAK, Vitamin-K-Antagonisten oder niedermolekularen Heparinen (NMH). Die Therapie ist schwierig, je nach Ursache ist eine OP denkbar, Statine und eine Reihe anderer Therapien werden diskutiert. Zudem müssen Risikofaktoren angegangen werden. Die Prognose ist mit einer Ein-Jahres-Mortalität von bis zu 80 % allerdings schlecht.

Im beschrieben Fall deckt die CT-Angiografie ein infrarenales Bauchaortenaneurysma auf. Es wird vermutet, dass sich nach Einleitung der Antikoagulation die fibröse Deckplatte aus dem Aneurysma gelöst und zu den Cholesterinembolien geführt hat. Durch die infrarenale Lage des Aneurysmas waren Organe wie Nieren, Augen und Gehirn verschont geblieben. 

Eine OP wäre die einzige effektive Option gewesen

Therapeutisch wird bei dem Mann die gesamte aus der Literatur bekannte Bandbreite versucht, so Prof. Schneider: Statine, NMH, ASS100, Ilomein, Gukokortikoide, Colchicin, Blutdruckeinstellung, O2-Therapie sowie eine cholesterinarme Diät. Das Absetzen der Antikoagulation kommt nach Meinung von Kardiologen und Nephrologen nicht infrage. Die Operation des Aneurysmas ist aus Sicht der Chirurgie nicht möglich – das wäre nach derzeitiger Studienlage die einzige effektive Therapieoption gewesen, sagte Prof. Schneider. Der Patient stirbt noch im Oktober desselben Jahres. 

Quelle: Kongressbericht 29. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie