Amaurose: Blind durch Kontaktlinse
Eine 84-jährige Frau suchte ihren Hausarzt auf, weil sie rechtsseitig zunächst nur unscharf sehen konnte. Daraus entwickelte sich rasch ein „schwarzer Balken“ vor dem Auge, weshalb die Dame zur weiteren Klärung ins Krankenhaus überwiesen wurde. Anamnestisch waren eine arterielle Hypertonie und eine beidseitige Katarakt-OP bekannt. Mit dieser Krankengeschichte und den Ergebnissen ihrer Untersuchungen haben Anna Heinen und Privatdozent Dr. David Czell von der Klinik für Innere Medizin des Spitals Linth in Uznach sicher auch zunächst an das Pferd in Form eines akuten arteriellen Gefäßverschlusses gedacht. Die Kollegen fanden eine vollständige Amaurose auf dem rechten Auge mit Anisokorie. Zudem war der Blutdruck deutlich erhöht (184/100 mmHg) und im EKG zeigte sich ein normfrequenter Sinusrhythmus.
Mit einer CT des Schädels plus extra- und intrakranieller Angiographie lockten die Ärzte das Zebra schließlich hervor. Neben einer Carotis-interna-Stenose erkannten sie auf den Aufnahmen, dass auf der rechten Seite die beim Augeneingriff eingesetzte Kunstlinse in den Glaskörper luxiert war. Daraufhin verlegten Anna Heinen und Dr. Czell die Dame in ein Zentrum mit Augenklinik, wo eine Pars-plana-Vitrektomie durchgeführt wurde. Die Chirurgen entfernten die luxierte Linse und implantierten eine neue, die sie retropupillär fixierten.
Bei einseitiger Amaurose von älteren Patienten mit Gefäßvorerkrankung ist es nicht verwerflich, zunächst an einen akuten Arterienverschluss zu denken, betonen die Autoren. Auch kommen eine Ablatio retinae, eine Kompression oder ein durchgetrennter Sehnerv, Intoxikationen, Tumoren oder degenerative Netzhauterkrankungen infrage. Aber es gibt sie eben, die sprichwörtlichen Zebras, wie der Fall gezeigt hat. Wenn auch selten.
Die Verlagerung einer Intraokularlinse tritt in zehn Jahren bei etwa einem von 1000 Patienten auf. Das Risiko kumuliert jedoch, nach 25 Jahren sind bereits 2 unter 100 betroffen. Man sollte das Fernglas also nicht komplett aus der Tasche verbannen, zumal Patienten immer älter werden und länger mit dem Implantat leben.
Quelle: Heinen A, Czell D. Swiss Med Forum 2018; 18: 1072