PAVK Arteriell, venös oder neural?

Autor: Dr. Dorothea Ranft/Tobias Stolzenberg

PAVK-Patienten verspüren im Sitzen keine Erleichterung. PAVK-Patienten verspüren im Sitzen keine Erleichterung. © Krakenimages.com – stock.adobe.com

Bei einem Patienten mit anhaltenden diffusen Beinschmerzen liegt der Verdacht auf eine PAVK nahe. Doch sicher sein kann man sich allein anhand der klinischen Zeichen nicht. Vor dem Start in die Therapie gilt es daher, andere Erkrankungen auszuschließen.

Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) sind belastungsabhängige, krampfartige Schmerzen das Leitsymptom. Liegt eine kritische Extremitätenischämie vor, kommen blasse und kühle Haut sowie Ruheschmerz hinzu, möglicherweise auch trophische Störungen der Haut. Hinter Letzteren können auch venöse Ursachen stecken, hinter Beinschmerzen bei Belastung eine Claudicatio spinalis. Dr. Kosmas­ Paraskevas­ von der Central Clinic of Athens­ und Dr. Clifford­ Shearman­, University of Southampton, geben praktische Hinweise, was bei entsprechendem Verdacht zu tun ist.

Bei einem Knöchel-Arm-Index < 0,8 muss der Spezialist ran

Ein wichtiger diagnostischer Schritt bei vermuteter PAVK ist die Ermittlung des Knöchel-Arm-Index (ABI). Mit ihm lässt sich die Durchblutung der Beine beurteilen und eine Pulsdifferenz zwischen dem rechten und dem linken Bein feststellen. Ein ABI zwischen ≥ 1,0 und 1,4 ist als Normalbefund zu werten (s. Tabelle), bei Werten < 0,8 sollte der Patient an einen Gefäßspezialisten überwiesen werden.

Knöchel-Arm-Index (ABI)  |  Schweregrad der arteriellen Erkrankung

> 1,4

Verdacht auf Kalzifikation

> 1,0

arterielle Erkrankung unwahrscheinlich

0,81-1,0

allenfalls milde arterielle Erkrankung

0,5-0,8

moderate arterielle Erkrankung

< 0,5

schwere arterielle Erkrankung

Anhand des klinischen Bildes allein lässt sich ein vaskulär bedingtes Hinken oft nicht ohne Weiteres von einer Claudicatio spinalis unterscheiden. Für die Wirbelsäulen­erkrankung spricht, wenn der Schmerz bei anhaltender Belastung innerhalb von Minuten wieder verschwindet oder wenn man einen Patienten ohne relevant erhöhtes kardio­vaskuläres Risiko vor sich hat. Ein normaler ABI (> 1,0) deutet ebenfalls auf eine kompressionsbedingte Nervenreizung als Auslöser des Schmerzes hin. Typisch für die Stenose ist zudem die Schmerzlinderung im Sitzen, während PAVK-Patienten eher im Stand Erleichterung verspüren.

Eine Notfallüberweisung zum Gefäßspezialisten oder in eine entsprechende Ambulanz noch am selben Tag ist bei Symptomen einer akuten Extremitätenischämie erforderlich. Dazu gehören:

  • Schmerzen
  • blasse und kühle Haut
  • Parästhesien
  • fehlende Fußpulse
  • die Unfähigkeit, die Zehen zu bewegen
  • eine Temperaturdifferenz zwischen linkem und rechtem Bein

Besonders vom akuten Gefäßverschluss gefährdet sind Patienten mit Vorhofflimmern oder mit bekannter peripherer arterieller Erkrankung sowie Personen nach einer Bypass­operation. Generell sollte an eine Ischämie gedacht werden, wenn die Schmerzen plötzlich aufgetreten sind.

Auch wenn das Bein nicht akut bedroht ist, können die angiologische Abklärung und die entsprechende Therapie weitere akute Episoden verhindern. Bei intakter Haut und Ruheschmerzen, klinisch nachgewiesener PAVK, bei fehlenden Pulsen und reduziertem ABI sollte der Angiologe innerhalb von sieben Tagen aufgesucht werden, bei Ulzera­ oder Gangrän binnen 48 Stunden. 

Verspätete Therapie erhöht Amputationsrisiko

Besondere Aufmerksamkeit ist bei Menschen mit Diabetes und PAVK geboten. Wenn sich ihr Zustand verschlechtert oder sie Ulzera entwickeln, sollten sie sich innerhalb von 24 Stunden in einer diabetologischen Fußambulanz oder in einer spezialisierten Praxis vorstellen. Denn das Geschwür kann sich rasch vergrößern, zudem drohen schwere Infektionen. Erfolgt die Behandlung verspätet, lässt sich eine Amputation oft nicht mehr verhindern. Auch wenn der ABI normal oder erhöht ist, gehört ein Diabetiker mit „frischem“ Ulkus binnen eines Tages zum Spezialisten, denn ABI-Normalwerte schließen bei diesen Patienten  die PAVK  nicht aus, schreiben die beiden Autoren. 

Zwar liegt einem Geschwür am Unterschenkel oder am Fuß in 70–80 % der Fälle eine Venen­erkrankung zugrunde, die eine Kompressionstherapie erfordert.  Bei Patienten mit unzureichender arterieller Versorgung hätte sie aber fatale Folgen. Bei leerer PAVK-Anamnese, tastbaren Fußpulsen und nur leicht reduziertem ABI (≥ 0,8) ist die Drucktherapie möglich, meinen die beiden Kollegen. Denn dann ist das Ulkus höchstwahrscheinlich venös bedingt. Im Zweifel sollte ein Angio­loge hinzugezogen werden. 

Neuropathische Ulzera finden sich vor allem bei Menschen mit Diabetes. In aller Regel sind sie schmerzlos. Sie können durch eine periphere Nervenschädigung, PAVK oder durch die Kombination von beiden verursacht sein. Bei den Betroffenen findet sich oft eine Mediasklerose, in diesen Fällen täuscht der erhöhte ABI eine ausreichende Durchblutung nur vor. Auch diese Patienten gehören in die Hände eines Gefäßspezialisten.

Quelle: Paraskevas KI, Shearman CP. BMJ 2023; 381: 605; DOI: 10.1136/bmj.p605