Darmkrebs Bei familiärem Risiko Vorsorge ab 30
Rund 10 % der Neuinzidenzen mit betreffen Patienten vor dem 50. Lebensjahr, Tendenz steigend. Erbliche oder familiäre Vorbelastung spielen dabei eine Rolle. Welche, ist noch nicht ganz klar. Ziel des Modellprojekts FARKOR war es, dieses familiäre Darmkrebsrisiko bei Versicherten zwischen 25 und 49 Jahren zu identifizieren und ihnen durch Früherkennungsuntersuchungen eine Erkrankung zu ersparen. Dafür hatten sich auf Initiative der Felix Burda Stiftung fast alle bayerischen Krankenkassen unter Führung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) zusammengeschlossen. Gefördert wurde das zwischen 2017 und 2021 laufende Modellprojekt vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
Breite Datenbasis, überraschendes Ergebnis
Haus- und Fachärzte forderten ihre Patienten per Fragebogen zu einer einfachen Familienanamnese auf. Insgesamt ließen sich 26.000 Versicherte darauf ein. Bei 22,3 % der Befragten landete man damit einen Treffer. 1.188 von ihnen machten daraufhin einen immunologischen Stuhltest (iFOBT), 1.595 Patienten entschieden sich für eine Koloskopie. Das Ergebnis: Bei 287 Studienteilnehmern fand man Adenome. Das mittlere Erkrankungsrisiko lag bei 41,2 Jahren. 76 Patienten ohne Symptome hatten bereits fortgeschrittene Darmkrebsvorstufen und vier ein kolorektales Karzinom. Überraschend war, dass Adenome im frühen und fortgeschrittenen Stadium in dieser Altersgruppe mit positiver Familienanamnese ähnlich häufig auftraten wie bei Menschen jenseits des 50. Lebensjahres.
Arzt als wichtigster Motivator
Für Dr. Berndt Birkner, Kuratoriumsmitglied der Felix Burda Stiftung leitet sich daraus ein klarer Auftrag für den G-BA ab, ein organisiertes Darmkrebs-Früherkennungsprogramm ab 30 Jahren für diese Risikogruppe anzubieten. Die Ärzteschaft sieht er wiederum in der Pflicht, „dass wir uns um die Analytik kümmern, das heißt in der Feststellung dieses Risikos bei unseren Patienten einen Fortschritt machen und tatsächlich durchgehend bei jedem ab 30 Jahren diese Risiken mittels einer Familienanamnese erfassen.“ Dr. Marcel Jedraßzyk, Teamleiter eHealth und digitale Zukunft bei der KV Bayern fordert, dafür regional verankerte neue Leistungsziffern zu schaffen.
Insgesamt hatten sich 384 Ärzte in Bayern an dem Modellprojekt beteiligt. Dank ihrer proaktiven Ansprache entschieden sich 91 % der Patienten für die Vorsorge. Damit sei der Arzt der wichtigste Motivator, ergänzt Prof. Dr. Ulrich Mansmann vom IBE der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Studientraining gegen Schwächen
Als Verantwortlicher für die Auswertung der FARKOR-Daten verwies er aber auch auf Schwächen bei der Datenauswertung. So brach die Dokumentation nach den Stuhltests meist ab. Dadurch war nicht klar, wie viele Studienteilnehmer tatsächlich einen positiven iFOBT hatten. Nur bei 11 Patienten, die anschließend weiter zur Koloskopie gingen, konnte man dies dokumentieren, bemängelte Prof. Mansmann. Auch verlief die Familienanamnese nicht immer konsistent. Es kam zu Abweichungen zwischen Stammbaum und Diagnosen. Da familiäre Aspekte auch bei anderen Krankheiten immer wichtiger werden, forderte der Experte ein noch intensiveres Studientraining. Viele Ärzte seien im Alltag nicht mit dem Darmkrebs-Screening beschäftigt, so der Mediziner. Aber auch Patienten müssten geschult werden, wie sie mit den Fragebögen umzugehen haben.
Vorsorge lohnt sich doppelt
Fest steht: Die Früherkennung spart viel Leid, aber auch Krankheitskosten. „Mit der Vermeidung insbesondere schwer gradiger Darmkrebsfälle sind neben einer Morbiditäts- und Mortalitätssenkung auch deutliche Kosteneinsparungen möglich“, verriet Assoc.-Prof. Dr. Gaby Sroczynski der UMIT TIROL - Private Universität für Gesundheitswissenschaften und -technologie mit Blick auf die gesundheitsökonomische Analyse von FARKOR. Konkret könnte man im Durchschnitt bis zu 400 Euro Kosten pro Person einsparen, wenn diese mit einem familiären Darmkrebsrisiko bereits ab dem 30. Lebensjahr an dem Darmkrebs-Früherkennungsprogramm teilnähmen, so die Expertin weiter.
Auch Klaus Schwarzer, Direktor der AOK Bayern, sieht darin eine Investition in die Zukunft: „Hiervon profitieren alle gleichermaßen: die Menschen in ihrer Gesundheit und die Krankenkassen, denen dadurch weniger Kosten entstehen.“
Quelle: Pressegespräch FARKOR, „Bayerisches Modellprojekt erklärt Vorsorge ab 30 für sinnvoll“, Felix Burda Stiftung, 20. Juli 2022