Kolonkarzinom 40, männlich, an Darmkrebs erkrankt
Darmkrebs ist weltweit die dritthäufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. In den letzten Jahrzehnten wurde in Ländern mit hohem Einkommen ein starker Anstieg von Darmkrebs bei Patienten, die jünger als 50 Jahre sind, beobachtet. Parallel dazu sind die Fälle, bei denen die Erkrankung im Alter von über 50 Jahren auftritt, dank der verbesserten Früherkennung in dieser Altersgruppe zurückgegangen, erklärt Dr. Frank Sinicrope vom Mayo Comprehensive Cancer Center in Rochester.
In den meisten Fällen liegt das Karzinom im linken Kolon
Bereits heutzutage sind bei rund 10 % der Neudiagnosen unter 50-Jährige betroffen. Schätzungen zufolge werden in den nächsten zehn Jahren ein Viertel der Rektumkarzinome und 10–12 % der Kolonkarzinome bei Personen unter 50 Jahren diagnostiziert werden.
Bei mehr als 70 % der jüngeren Patienten ist das Karzinom im linken Dickdarm lokalisiert. Im Vergleich zu Fällen, in denen das Karzinom erst in einem höheren Lebensalter auftritt, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich die Krankheit bei der Diagnose bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet.
Knapp 30 % der Patienten mit einer frühen Darmkrebsdiagnose haben mindestens einen Verwandten ersten Grades mit Kolonkarzinom in der Vorgeschichte. Mit 16–25 % ist die Prävalenz pathogener Keimbahnvarianten bei jüngeren Betroffenen fast doppelt so hoch wie bei unselektierten Patienten mit Darmkrebs. Die Hälfte dieser Varianten betrifft Mismatch-Reparatur(MMR)-Gene, die mit dem Lynch-Syndrom assoziiert sind, schreibt der Experte. Das Syndrom ist auf eine Keimbahnmutation in einem MMR-Gen (MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 oder EPCAM) zurückzuführen, die zu einer MMR-Defizienz (dMMR) und einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) führt.
Das National Comprehensive Cancer Network empfiehlt, bei allen neu diagnostizierten kolorektalen Karzinomen den MMR- und MSI-Status zu bestimmen, um ein zugrunde liegendes Lynch-Syndrom zu erkennen. Darüber hinaus sind auch Keimbahnmutationen in den Genen APC and MUTYH möglich, die hereditäre gastrointestinale Polyposis-Syndrome hervorrufen.
Obwohl bei den unter 50-Jährigen ein erbliches Syndrom wahrscheinlicher ist als bei Patienten mit späterem Auftreten der Krankheit, treten die meisten Fälle (75–84 %) sporadisch auf und haben keine erkennbare Ursache.
Allerdings ist eine Reihe modifizierbarer Risikofaktoren bekannt. Den größten Einfluss auf das relative Risiko hat eine westliche Ernährungsweise, gefolgt von Rauchen (aktuell oder nie), dem Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch sowie Übergewicht und Fettleibigkeit. Die Ergebnisse der Nurses’ Health Study II deuten darauf hin, dass sich auch der Konsum von Süßgetränken ungünstig auf das Darmkrebsrisiko auswirkt. Dort hatten Frauen, die im Erwachsenenalter täglich zwei oder mehr Portionen Süßgetränke konsumierten, ein um den Faktor zwei erhöhtes Risiko für ein früh auftretendes Kolorektalkarzinom, verglichen mit Frauen, die weniger als eine Portion pro Woche
konsumierten.
Zudem hat sich gezeigt, dass eine erhöhte körperliche Aktivität das Risiko verringern kann, während eine vorwiegend sitzende Tätigkeit mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Darmkrebs in jungen Jahren verbunden ist, schreibt Dr. Sinicrope. Für Vollkornprodukte im Vergleich zu Weißmehlprodukten konnte ein schützender Effekt nachgewiesen werden.
Es gibt zahlreiche Belege für einen Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und der Entwicklung eines Kolorektalkarzinoms. Darmmikroben interagieren mit dem Immunsystem des Wirts und können die Immunantwort gegen Tumoren beeinflussen. Das Mikrobiom von Patienten mit Darmkrebs weist im Vergleich zu Gesunden eine geringere bakterielle Vielfalt auf. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass bei Darmkrebspatienten Firmicutes, Bacteroidetes, enterotoxinbildende Bacteroides fragilis und Fusobacterium nucleatum vermehrt vorkommen. Weiterhin wird ein kolorektales Karzinom mit einer Verringerung von Darmbakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, in Verbindung gebracht.
Antibiotika gelten als potenzieller Risikofaktor
Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms wird durch die Ernährung beeinflusst. Während eine westliche Ernährung ungünstige Bakterien fördert, die zu Schleimhautentzündungen und einem erhöhten Risiko für kolorektale Neoplasien beitragen, begünstigt eine pflanzliche Ernährung nützliche Darmmikroben, die entzündungshemmend wirken.
Auch Antibiotika können einen erheblichen Einfluss auf das Darmmikrobiom haben. So stellt zuletzt auch die längerfristige Einnahme von Antibiotika einen potenziellen Risikofaktor für das Auftreten eines Kolorektalkarzinoms im Alter von unter 50 Jahren dar, so der Kollege.
Quelle: Sinicrope FA. N Engl J Med 2022; 386: 1547-1558; DOI: 10.1056/NEJMra2200869