Bei leichter Hypertonie eher auf Blutdrucksenker verzichten
Manche Hypertonie-Leitlinien wie die des American College of Cardiology/American Heart Association (ACC/AHA) empfehlen eine medikamentöse Hochdruckbehandlung ab Blutdruckwerten von 140/90 mmHg, bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten sogar ab RR-Werten von 130/80 mmHg. Die für diese Empfehlung ausschlaggebenden Studien beziehungsweise Metaanalysen verfügen allerdings bei genauerem Hinsehen in den Subgruppen von Patienten mit niedrigem Risiko und nur leichter Hypertonie nicht über eine ausreichend hohe statistische Power, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen.
Kontrollierte prospektive Studien ausschließlich mit dieser Klientel lassen sich wegen der sehr niedrigen kardiovaskulären Endpunktprävalenz in der Praxis kaum durchführen. Ein britisches Team untersuchte deshalb mithilfe einer Datenbankanalyse, inwieweit eine Behandlung der milden Hypertonie (RR 140/90–159/99 mmHg) die Raten von Gesamtmortalität und kardiovaskulären Ereignissen senken kann.
Kein Nutzen, dafür Nebenwirkungen
Ihre Auswertung umfasste 19 143 Therapierte und ebenso viele Unbehandelte ohne kardiale Vorerkrankungen (Koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern, linksventrikuläre Hypertrophie), vorzeitige Herzleiden in der Familie, Diabetes oder chronische Nierenschäden. Das Durchschnittsalter lag bei knapp 55 Jahren. Innerhalb des medianen Beobachtungszeitraums von 5,8 Jahren betrug die Hazard Ratio für die Gesamtmortalität unter Antihypertensiva 1,02 und für kardiovaskuläre Ereignisse 1,09.
Die medikamentöse Blutdrucksenkung beeinflusste also keinen der beiden Wirksamkeitsendpunkte. Stattdessen belastete sie, zumindest in geringem Ausmaß, durch Nebenwirkungen wie Hypotonie, Synkopen oder Elektrolytverschiebungen.
Zurückhaltung vor allem bei jüngeren Patienten
Angesichts des fehlenden Nutzens sollten Ärzte deshalb trotz existierender Leitlinien nicht ganz unkritisch jeden Patienten mit leichter Hypertonie ohne weitere Risikofaktoren sofort medikamentös einstellen, schlussfolgern die Autoren. Vor allem bei Jüngeren sei Zurückhaltung geboten.
Quelle: Sheppard JP et al. JAMA Intern Med 2018; 178: 1626-1634