Brustkrebs: Für die adjuvante Chemotherapie zählt das genomische Risiko

Autor: Birgit-Kristin Pohlmann

Frauen jenseits der 50, die ein klinisch hohes, aber genomisch niedriges Risiko vorweisen, können möglicherweise auch auf eine Chemotherapie verzichten. (Agenturfoto) Frauen jenseits der 50, die ein klinisch hohes, aber genomisch niedriges Risiko vorweisen, können möglicherweise auch auf eine Chemotherapie verzichten. (Agenturfoto) © iStock/KatarzynaBialasiewicz

Nicht alle Patientinnen mit frühem HR+/HER2- Mammakarzinom benötigen postoperativ eine Chemotherapie. Das gilt offenbar auch, wenn nach klinischen Kriterien ein hohes Risiko vorzuliegen scheint.

Das Ziel der MINDACT-Studie: Patientinnen v.a. mit HR+/HER2- Brustkrebs im Vorfeld besser zu klassifizieren. So sollten jene identifiziert werden, denen eine adjuvante Chemotherapie erspart werden kann, ohne sie einem erhöhten Risiko auszusetzen. Primärer Studien­endpunkt war das fernmetastasenfreie Überleben (DMFS) nach fünf Jahren, erläuterte Professor Dr. ­Fatima ­Cardoso, Champalimaud Cancer Clinic, Lissabon.

Insgesamt wurden vier Risikogruppen unterschieden:

  • klinisch und genomisch niedriges Risiko,
  • klinisch und genomisch hohes Risiko,
  • klinisch hohes und genomisch niedriges Risiko,
  • klinisch niedriges und genomisch hohes Risiko.

Im Fokus standen die Teilnehmerinnen mit klinisch hohem Risiko, die nach den Kriterien des 70-Gen-Assays MammaPrint genomisch als Niedrigrisiko-Patientinnen eingestuft worden waren, erläuterte die Referentin. Die vorangegangene Auswertung nach median fünf Jahren hatte den primären Endpunkt erreicht: Fast 95 % der klinisch high risk und genomisch low risk Eingestuften waren trotz Verzicht auf eine adjuvante Chemotherapie nach fünf Jahren noch ohne Fernmetastasen.

Die Langzeitergebnisse nach nun median 8,7 Jahren untermauern das Ergebnis. Über 90 % der Patientinnen waren weiterhin in der Auswertung. Lediglich diejenigen mit doppelt hohem Risiko hatten eine schlechtere Prognose (DMFS-Rate 85,9 %). Die drei anderen Gruppen erreichten eine DMFS-Rate von jeweils über 90 %.

Vor allem über 50-Jährige profitieren vom Assay

Der Vergleich Chemotherapie vs. keine Chemotherapie war ein sekundärer Endpunkt und nicht ausreichend gepowert, zeige aber beachtenswerte Ergebnisse, betonte Prof. Cardoso. Für die Patientinnen mit hohem klinischem, aber geringem genomischem Risiko (ITT-Population) ergab sich ein Delta von absolut 2,6 % nach achtjähriger Nachbeob­achtungszeit zugunsten der adjuvanten Chemotherapie. Der Nodalstatus hatte dabei keinen Einfluss auf das Ergebnis. Aber die Expertin erinnerte daran, dass in die Studie nur Patientinnen ohne Lymphknotenbefall sowie solche mit maximal drei befallenen Lymphknoten eingeschlossen worden waren.

Die weitere Aufschlüsselung nach Alter bzw. Menopausenstatus er­gab, dass insbesondere Patientinnen jenseits des 50. Lebensjahres von MammaPrint profitierten: Der Unterschied Chemo vs. keine Chemo betrug in dieser Gruppe absolut 0,2 % (90 % vs. 90,2 %). Von den jüngeren Patientinnen bis zu maximal 50 Jahren waren zum Auswertungszeitpunkt noch 88,6 % vs. 93,6 % frei von Fernmetastasen. Ein Grund für die klinisch möglicherweise relevante Differenz bei diesen jüngeren Frauen könnte die chemotherapieinduzierte Amenorrhö sein.

Die Ergebnisse unterstreichen den Nutzen des Multigen-Assays für den klinischen Alltag: Bei Patientinnen mit frühem HR+/HER2- Mammakarzinom, die trotz klinischer Risikofaktoren genomisch ein niedriges Risiko haben, kann auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden, so Prof. Cardoso. Das gelte insbesondere für postmenopausale Frauen und sollte mit prämenopausalen Patientinnen in Abhängigkeit von der Gesamtsituation diskutiert werden.

Quelle:
Cardoso F et al. J Clin Oncol 2020; 38 (suppl; abstr 506); DOI: 10.1200/JCO.2020.38.15_suppl.506
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