Cannabis-Produkte: Lebensmittel oder Medizin?
Im Dezember 2020 stellte die EU-Kommission fest, dass man cannabidiolhaltige Produkte prinzipiell den Lebensmitteln zuordnen kann. Dem widersprechen Professor Dr. Karin Kraft vom Lehrstuhl für Naturheilkunde an der Universitätsmedizin Rostock und Dr. rer. nat. Mathias Schmidt von HerbResearch Germany in Mattsies vehement.
CBD wird von der WHO nicht als Suchtstoff eingestuft
Von der Hanfpflanze Cannabis sativa existieren zahlreiche Sorten, die entweder industriell oder medizinisch genutzt werden, erläutern die beiden Wissenschaftler. Varietäten, die weniger als 0,2 % der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, liefern hierzulande etwa Rohstoffe für die Textilindustrie. Die Samen, die naturgemäß weder THC noch CBD enthalten, werden zu Hanföl oder -mehl sowie zu Trinkhanf oder Hanfbutter verarbeitet.
Wirkstoffreiche Sorten hingegen werden als Medizinalhanf angebaut. Dabei stammen sowohl THC als auch CBD aus der weiblichen Pflanze, vornehmlich aus deren Blüten. Anders als THC hat CBD keinerlei psychotrope Effekte und wird von der WHO nicht als Suchtstoff eingestuft, berichten die Autoren.
In den vergangenen Jahren sind zahlreiche neuartige Cannabiszubereitungen in den Handel gelangt. Mit CBD angereicherte Öle werden beispielsweise als Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich angepriesen und oft mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben. Diese Produkte erfüllen aber keine der Voraussetzungen, die die entsprechende EU-Verordnung von einem Lebensmittel fordert, stellen die Autoren klar. Auch lebensmitteltechnisch und ernährungsphysiologisch bringt CBD keinen Nutzen, womit auch die Klassifizierung als Nahrungsergänzungsmittel oder Lebensmittelzusatzstoff ausscheidet. Da das Cannabinoid weder dämpfend noch anregend wirkt, fehlt nach EU-Recht zudem die Grundlage für die Einstufung als Genussmittel.
Sind Canabidiol-Produkte „neuartige Lebensmittel“?
Derzeit warten auf europäischer Ebene mehr als 50 CBD-haltige Produkte auf ihre Registrierung als sogenanntes Novel Food. Als „neuartig“ gelten Lebensmittel dann, wenn sie vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der EU für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und wenn bei ihrer Produktion beispielsweise ein neuartiges Verfahren eingesetzt wird. Zu keinem der Anträge liegt bislang ein positiver Bescheid vor, sodass bei uns derzeit kein einziges CBD-haltiges Lebensmittel verkehrsfähig sein dürfte, lautet die Einschätzung der Autoren.
Die CBD-haltigen Kapseln, Getränke oder Gummibärchen sind nach geltendem EU-Recht also keinesfalls reguläre Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel, auch wenn die Hersteller sie als solche vermarkten und ungehindert in Supermärkten, Drogerien oder Online-Shops verkaufen. Zwar ist CBD auch in hohen Dosen gut verträglich und zeigt als Reinsubstanz keine psychoaktiven Effekte. Durch eine nachgewiesene Anwendungssicherheit wird ein Arzneistoff aber noch lange nicht zum Lebensmittel, stellen Prof. Kraft und Dr. Schmidt unmissverständlich klar.
CBD wird entweder synthetisch hergestellt oder aus Cannabisblüten gewonnen und in Form angereicherter Extrakte verwendet. Die Substanz ist kein Betäubungsmittel und als chemisch erzeugter Reinstoff fällt sie nicht unter das Betäubungsmittelgesetz.
Arzneimittel mit Hanfextrakt gelten als Betäubungsmittel
Cannabisextrakte, wie sie in den vermeintlichen Lebensmitteln zum Einsatz kommen, enthalten aber häufig neben CBD geringe Mengen an THC. Selbst bei strenger Beachtung der Verzehrempfehlungen können unter Umständen die vom Bundesinstitut für Risikobewertung definierten THC-Tageshöchstmengen erreicht und die Grenze zum Betäubungsmittel überschritten werden, erläutern die Experten.
Auch die verfügbaren Arzneimittel mit dem Wirkstoff CBD stehen entweder als Präparate mit CBD-Reinstoffen oder in Form angereicherter Extrakte zur Verfügung. In beiden Fällen besteht eine Verschreibungspflicht. Arzneimittel mit Cannabisextrakten gelten dabei – unabhängig von ihrem tatsächlichen THC-Gehalt – generell als Betäubungsmittel.
Quelle: Kraft K, Schmidt M. Zeitschrift für Phytotherapie 2021; 42: 82-94; DOI: 10.1055/a-1336-6273