Darmkrebs TNM reicht nicht

Autor: Friederike Klein

MRD und Immunscore verbessern die individuelle Prognoseabschätzung bei Kolonkarzinom. MRD und Immunscore verbessern die individuelle Prognoseabschätzung bei Kolonkarzinom. © Jo Panuwat D – stock.adobe.com

Die Abschätzung der Prognose als Grundlage für die Therapieentscheidung beruht beim lokal begrenzten Kolonkarzinom seit Jahrzehnten auf der TNM-Stadieneinteilung. Ein individuelles Vorgehen ist so allerdings nur begrenzt möglich. Sowohl die MRD als auch der Immunscore könnten dies verbessern.

Relevant für die Prognose des Kolonkarzinoms ist es, wenn nach der Resektion eines lokal begrenzten Tumors keine molekulare Resterkrankung (MRD) mehr festzustellen ist, sagte Prof. Dr. ­Arvind ­Dasari vom MD Anderson Cancer Center in Houston.1 Er stellte die Ergebnisse einer retrospektiven Analyse von 3.148 Patient:innen mit resezierten Adenokarzinomen des Kolons vor. Sie hatten an den Studien ­GALAXY und ­BESPOKE CRC teilgenommen oder im Rahmen der klinischen Routine am MD Anderson Cancer Center eine ctDNA-Analyse erhalten. Für diese verwendeten die Forschenden einen Multiplex-PCR-NGS-Assay mit 16 Genen. Den MRD-Status erhoben sie zwei bis zehn Wochen nach OP und integrierten ihn in das Staging, bevor eine adjuvante Therapie begonnen wurde. 

Von denjenigen mit einem Stadium-I-Kolonkarzinom wiesen nur 1 % nach der chirurgischen Intervention eine MRD auf; bei Stadium II waren 7 % MRD-positiv, der Anteil im Stadium III belief sich auf 20 %. Personen mit MRD-Nachweis hatten unabhängig vom Stadium ein signifikant höheres Rezidivrisiko und schlechteres krankheitsfreies Überleben (DFS) als diejenigen ohne MRD. 

Als besonders eindrückliches Beispiel griff Prof. ­Dasari Patient:innen der Studie BESPOKE CRC mit einem Kolonkarzinom im Stadium IIIA heraus. Ohne Berücksichtigung des MRD-Status betrug die 24-Monats-DFS-Rate 89,4 %. Die MRD-negativen Fälle hatten eine noch bessere Rate von 97,2 %, die MRD-positiven dagegen nur von 22,2 %. Damit ist bei einem Kolonkarzinom im Stadium IIIA das Risiko für ein erneutes Auftreten der Erkrankung oder Tod mehr als 60-fach erhöht, wenn nach der Operation eine MRD nachgewiesen wird (HR 65,9). 

Eine ähnliche Relevanz ergab sich beispielsweise auch in der Gruppe der Patient:innen mit Stadium IIB-Tumor. Bei einer MRD-Negativität fiel das Rezidivrisiko in Stadium I–III durchweg niedrig aus.

Prospektive Studien mit längerem Beobachtungszeitraum sind nötig, um die TNM-Klassifikation zu ergänzen, gab Prof. ­Dasari zu. Die von ihm vorgestellten Daten unterstützen aber klar, die MRD nach OP mit in die Risikostratifizierung einzubeziehen. 

Wissenschaftler:innen prüfen derzeit in zahlreichen Studien prospektiv den Einsatz der ctDNA-Messung und der MRD-Bestimmung für die Therapieentscheidung. Auch Prof. Dr. Dr. ­Julien ­Taieb vom Georges Pompidou European Hospital der Universität von Paris geht beim nicht-metastasierten Kolonkarzinom fest davon aus, dass die ctDNA zukünftig in die Klassifikation aufgenommen wird.2 

Bestätigung in Real World

In der Real-World-Kohorte ergab sich bei Patient:innen mit Kolonkarzinom im Stadium IIIA und MRD-Positivität eine 35-fache DFS-Risikoerhöhung (HR 35,5), berichtete Prof. Dasari. Hier war niemand mit MRD-Nachweis nach zwei Jahren mehr krankheitsfrei, bei MRD-Negativität belief sich der Anteil auf 92,8 %. 

ctDNA-Analyse bei Kolonkarzinom

Er und sein Team untersuchten 554 Patient:innen mit nicht-metastasiertem Kolonkarzinom aus einer französischen und einer griechischen Kohorte, von denen Blutproben für eine ctDNA-Analyse zur Verfügung standen. Sie nutzten dafür einen personalisierten Test, mit dem sie im Blut die anhand von Tumorgewebe nachgewiesenen Genalterationen suchten. Außerdem prüften die Forschenden die prognostische Relevanz des Immunoscores, mit dem sich CD3+ und CD8+ Zellen im Tumorzentrum und der Randzone quantifizieren lassen. 

19,7 % der Patient:innen wiesen einen positiven postoperativen ctDNA-Befund auf. Dieser war unabhängig von Krankheitsstadium und Dauer der adjuvanten Chemotherapie sowie anderen Risikofaktoren ein starker Prädiktor für das Rezidivrisiko und das OS. 

Der Immunoscore hatte nur bei den ctDNA-negativen Erkrankten eine prognostische Relevanz: 92 % der ctDNA-negativen Patient:innen mit hohem Immunoscore überlebten fünf Jahre ohne Rezidiv, bei niedrigem oder intermediärem Immunoscore beliefen sich die Raten auf nur 78–82 %. Im Falle eines ctDNA-positiven Befundes nach OP betrug der Anteil der Personen, die nach fünf Jahren ohne Rezidiv waren, unabhängig vom Immunoscore nur 30–40 %.

Quellen:
1. Dasari NA et al. ESMO Gastrointestinal Cancers Congress 2024; Abstract 4MO
2. Taieb A et al. ESMO Gastrointestinal Cancers Congress 2024; Abstract 7MO