Der lange Schatten des Thrombus Das Wichtigste zum Post-Lungenembolie-Syndrom

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Noch Monate nach einer Lungenembolie hat jeder ­Zweite funktionelle pulmonale oder kardio­vaskuläre Einschränkungen. Noch Monate nach einer Lungenembolie hat jeder ­Zweite funktionelle pulmonale oder kardio­vaskuläre Einschränkungen. © yta – stock.adobe.com

Bis zur Hälfte der Überlebenden einer akuten Lungenembolie entwickelt langfristige funktionelle Einschränkungen. Diese werden jedoch oft übersehen oder nur unzureichend behandelt.

Das Post-Lungenembolie-Syndrom ist gekennzeichnet durch persistierende oder sich verschlimmernde Symptome, funktionelle Einschränkungen oder kardiovaskuläre Störungen. Allen gemeinsam ist, dass sie meist erst sechs Monate nach der adäquat behandelten Akuterkrankung auftreten, schreibt ein Autorenteam um Dr. Kajal Shah vom Dartmouth Hitchcock Medical Center im US-amerikanischen Lebanon. 

Drei Patientengruppen werden unterschieden

Patientinnen und Patienten mit Post-LE-Syndrom lassen sich in drei Gruppen einteilen: Solche mit chronischer thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH), diejenigen ohne Lungenhochdruck (chronic thromboembolic disease; CTED) sowie Menschen mit Beschwerden ohne persistierendes Gerinnsel. Die CTEPH ist definiert durch eine präkapilläre pulmonale Hypertonie*, die sich infolge einer bildgebend gesicherten chronischen Thromboembolie entwickelt hat. Als CTED bezeichnet man eine symptomatische, anhaltende Thromboembolie mit normaler Hämodynamik in Ruhe. Betroffene können aber eine belas­tungsinduzierte pulmonale Hypertonie bzw. respiratorische Insuffizienz haben.

Beim Post-LE-Syndrom lässt sich meist kein chronischer Thrombus nachweisen. Die Beschwerden sind dann wahrscheinlich Folge einer persistierenden rechtsventrikulären Insuffizienz oder einer funktionellen Störung. Die Diagnose des Syndroms basiert je nach Konstellation auf transthorakaler Echokardiografie, Ventilations-/Perfusionsszintigrafie, kardiopulmonalen Belastungstests und Rechtsherzkatheter.

Ohne Behandlung überleben nur 30 % der Menschen mit CTEPH und einem mittleren pulmonalarteriellen Druck (mPAP) > 30 mmHg die nächsten fünf Jahre. Therapie der Wahl ist die Endarteriektomie. Sie ermöglicht eine Dreijahresüberlebenszeit von 93 %, das Zehnjahresüberleben beläuft sich auf 72–75 %. Der Eingriff kann den Gefäßwiderstand reduzieren, die rechtsventrikuläre Dilatation verringern und die systolische Funktion verbessern. An Komplikationen ist u. a. mit Arrhythmien, Perikard- und Pleuraergüssen, Lungenödem und Niereninsuffizienz zu rechnen. In 15–18 % der Fälle bleibt die pulmonale Hypertonie nach der OP bestehen.

Katheterintervention zunehmend im Einsatz

Auch bei der CTED kann eine Endarteriektomie erwogen werden, wenn die Betroffenen ein chronisches Gefäßleiden ohne bedeutsame hämodynamische Störung in Ruhe haben. Voraussetzung ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung.

Als Alternative bietet sich die pulmonale Ballonangioplastie an. Jedoch sind bei diesem Verfahren zahlreiche Wiederholungen nötig, um alle Läsionen zu erreichen. Die perkutane kathetergestützte Intervention erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Sie eignet sich für inoperable Patientinnen und Patienten und solche mit residualer oder rezidivierender CTEPH und CTED.

Die orale Antikoagulation bei chronischer thromboembolischer pulmonaler Hypertonie sollte lebenslang fortgesetzt werden, auch nach Endarteriektomie oder Ballonangioplastie. Je nach Befund können Personen mit CTED ebenfalls profitieren. Standard sind nach wie vor die Vitamin-K-Antagonisten, immmer häufiger kommen NOAK zum Einsatz. Unter den Therapeutika für pulmonal-arterielle Hypertonie ist Riociguat bei CTEPH zugelassen.

Zur Behandlung bei chronischer thromboembolischer pulmonaler Hypertonie eignet sich eine pulmonale Rehabilitation. In Einzelfällen kommen auch Endarteriektomie oder Angioplastie infrage. Wenn andere Optionen nicht möglich oder wirksam sind und sich der Betroffene im NYHA-Stadium III oder IV befindet, kann eine Herz-Lungen- oder bilaterale Lungentransplantation erfolgen, bei allerdings hohem Risiko. In einer Studie lag die perioperative Mortalität bei 20 %, fünf Jahre überlebten lediglich 52 % der Behandelten.

*mittlerer pulmonalarterieller Druck ≥ 20 mmHg und pulmonaler Gefäßwiderstand > 2 Wood-Einheiten

Quelle: Shah KP et al. Mayo Clin Proc 2024; 99: 1965-1982; doi: 10.1016/j.mayocp.2024.07.008