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Adipositaschirurgie Den Diabetes wegoperieren

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Bariatrische Eingriffe bieten die Möglichkeit Gewicht zu reduzieren und Typ-2-Diabetes zur Remission zu bringen. Bariatrische Eingriffe bieten die Möglichkeit Gewicht zu reduzieren und Typ-2-Diabetes zur Remission zu bringen. © zinkevych – stock.adobe.com
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Bei bariatrischen Eingriffen geht es nicht nur um die Gewichtsreduktion. Die Operationen können auch die Stoffwechsellage verbessern und sogar einen Typ-2-Diabetes zur Remission bringen. Welches chirurgische Verfahren man wählt, hängt von der Patientenpräferenz, dem Body Mass Index und den Komorbiditäten ab.

Leitliniengemäß gelten folgende bariatrisch-chirurgische Eingriffe als Standardverfahren:

  • Magenbandimplantation
  • Schlauchgastrektomie (Sleeve-Resektion)
  • proximaler Roux-Y-Magenbypass (RYGB)
  • Omega-Loop-Magen- oder Schlingenbypass (OAGB)
  • biliopankreatische Diversion, mit und ohne duodenalen Switch

Die letztgenannten Operationen sind als Reserveverfahren zu betrachten, vor allem wegen ihrer malabsorptiven Nebenwirkungen, erklärte Prof. Dr. ­Arne ­Dietrich vom Universitätsklinikum ­Leipzig. Auf der anderen Seite spiele das Magenband heute kaum mehr eine Rolle.

Während der Roux-Y-Magenbypass lange Zeit als Goldstandard galt, wird inzwischen die Schlauchgastrektomie weltweit am häufigsten durchgeführt. Anders als der RYGB ist sie auch bei massiv erhöhtem ­Body ­Mass ­Index möglich. Im Vergleich zum RYGB sind perioperative Morbiditäten bei der Schlauchmagenbildung seltener. Mangelerscheinungen wegen Malabsorption sind kaum zu befürchten und es besteht nur eine geringe Gefahr für ein Dumping-Syndrom, da der Pylorus erhalten bleibt.

Zu den Nachteilen der Sleeve-Resektion gehört, dass Gewichtsverlust und Diabetesremission etwas geringer ausfallen als nach RYGB. Fünf Jahre nach der Operation bringen die Patienten nach Sleeve-Gastrektomie etwa 50 % ihres ursprünglichen Gewichts auf die Waage, beim RYGB beträgt die Reduktion bis zu 60 %. Etwa 60 % bzw. 75 % der Operierten erreichen die Diabetesremission.

Nach Sleeve-Resektion haben die Patienten zwei bis drei Jahre später mehr Gewicht zugelegt als bei den Bypässen, u.a. bedingt durch die Ausweitung des Schlauchmagens. Etwa 20–40 % der Betroffenen brauchen deshalb eine erneute Operation. Auch das Risiko für ein Entstehen oder die Verschlechterung einer Refluxerkrankung ist nach Sleeve-Resektion erhöht. Schließlich sind Fisteln an der Klammernaht des Magenschlauchs, der unter hohem Druck steht, bei 1–3 % der Patienten ein relevantes Problem.

Als Vorteile des Roux-Y-Magen­bypasses nannte Prof. ­Dietrich:

  • Ein RYGB beseitigt auch eine Refluxerkrankung effektiv.
  • In 70–80 % der Fälle lässt sich eine Diabetesremission erreichen.
  • Das Körpergewicht sinkt langfris­tig und zuverlässig.

Allerdings ist der Roux-Y-Magen­bypass aufwendiger als die Schlauchgastrektomie, schränkte der Referent ein. Es besteht das Risiko eines Dumping-Syndroms, Vitamine und Mineralstoffe müssen dauerhaft substituiert werden. 

Als Alternative zum RYGB wird zunehmend ein Omega-Loop-Magen­bypass (­OAGB) eingesetzt, früher irreführend als Mini­bypass bezeichnet. Diese Operation ist weniger aufwendig als der RYGB. Auch bei Patienten mit sehr hohem BMI lässt sich diese Bypass­operation durchführen, weil ein langer Pouch gebildet wird.

Dumping-Gefahr besteht auch beim ­OAGB. Durch die lange biliopankreatische Schlinge, die von der Nahrungspassage ausgeschlossen ist, lässt sich zwar eine sehr gute und anhaltende Gewichtsreduktion sowie eine effektive Remission des Diabetes erzielen. Das Risiko für Malabsorption ist aber recht hoch, was die dauerhafte Substitution von Vitaminen und Mineralstoffen erfordert. Inzwischen fallen daher die Schlingen weniger großzügig aus als früher, so Prof. Dietrich. Als weiteren Nachteil des ­OAGB nannte er den für die Patienten sehr unangenehmen Gallereflux.

Welcher bariatrischen Operationstechnik man im Einzelfall den Vorzug gibt, hängt zum einen vom Patientenwunsch ab, erläuterte der Referent. Bei Refluxerkrankung und Typ-2-Diabetes ist ihm zufolge ein RYGB besonders geeignet. Bei sehr hohem BMI > 60 kommt oft nur die Sleeve-Resektion in Betracht, eventuell auch ein Schlingenbypass. Außerdem eignet sich der Sleeve besser bei Patienten mit Typ-1-Diabetes, weil beim Roux-Y-Magenbypass Blutzuckerschwankungen ungleich schwerer zu kontrollieren sind. Auch Patienten, 

  • die Medikamente mit unklarer Resorption einnehmen,
  • die an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen mit Durchfall leiden oder 
  • Personen mit eingeschränkter Leberfunktion

sind mit der Sleeve-Resektion besser bedient. 

Den Omega-Loop-Magenbypass setzt Prof. ­Dietrich beim älteren Patienten und bei Personen mit hohem BMI, bei denen es gute Gründe für einen Bypass gibt. Der Schlauchmagen gilt ihm zufolge als Verfahren der Wahl, wenn eine Gastroskopie möglich bleiben muss. Das kann der Fall sein, wenn eine Typ-A-Gastritis vorliegt. Oder wenn der Zugang zur Papille mit der Möglichkeit zur endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikografie bestehen bleiben muss, also etwa bei Gallengangsstenosen.

Kongressbericht: Viszeralmedizin 2022