Deutschland versagt in Sachen Tabakkontrolle
Rauchen führt nach wie vor die Hitliste der vermeidbaren Krebsrisikofaktoren an, betonte Professor Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Fast 20 % aller Krebserkrankungen sind auf den Tabakkonsum zurückzuführen – dies macht bei einer Gesamtinzidenz von knapp einer halben Million Krebserkrankungen pro Jahr rund 85 000 Fälle, die sich vermeiden ließen, würde auf das Rauchen verzichtet. Zwar ist der Anteil der Raucher bereits zurückgegangen. Doch seit einigen Jahren verharrt er bei etwa 22 %.
Politiker mit Daten und Fakten zum Handeln bewegen
„Mit dem Rauchen aufzuhören, ist schwieriger, als den Einstieg zu verhindern. Wir brauchen dringend gezielte Kontrollmaßnahmen, um von diesen Zahlen herunterzukommen“, forderte Prof. Baumann. Es sei schändlich, dass Deutschland das Schlusslicht in Europa bilde, wenn es um die Etablierung von Programmen gegen Tabakmissbrauch gehe. Der Tabakatlas, in dem wissenschaftlich erarbeitete Daten und Fakten über den Tabakkonsum, seine Folgen und die Effekte von Kontrollinitiativen veröffentlicht werden, soll „die Politik dazu bewegen, geeignete Maßnahmen einzuleiten“, sagte der Experte.
Von Umwelt und Menschenrechten
- Durch Herstellung, Vertrieb und Nutzung von Tabakprodukten werden weltweit jährlich fast 84 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erzeugt – vergleichbar den Emissionen eines kleinen Industriestaats. Allein auf die Tabaktrocknung entfallen fast 45 Millionen Tonnen.
- Die Umweltauswirkungen von E-Zigaretten und Tabakerhitzern sind noch nicht abschätzbar. „Vermutlich sind insbesondere mit der Beschaffung von Materialien für elektronische Komponenten und der Entsorgung Belastungen der Umwelt verbunden“, heißt es im Krebsatlas.
- Vom Tabakanbau bis zur weggeworfenen Zigarettenkippe werden Menschenrechte verletzt, beginnend bei Kinderarbeit, teilweise auch Zwangsarbeit, über Arbeitsschutzrechtsverletzungen bis hin zur Verletzung des Rechts auf Gesundheit und Leben.
Jede Zigarettenpackung müsste zehn Euro kosten
Die Folgen des Rauchens für die Gesellschaft sind enorm, auch in finanzieller Hinsicht. Jährlich kommen laut Tabakatlas fast 100 Millionen Euro zusammen, wobei die direkten Gesundheitskosten mit gut 30 Millionen Euro noch nicht einmal den Löwenanteil ausmachen. „Wollte man das über den Zigarettenpreis kompensieren, müsste eine Packung rund zehn Euro kosten. Rechnet man die indirekten Kosten z.B. durch Arbeitsausfälle und Frühberentungen dazu, wären es fast 23 Euro“, so Dr. Schaller. In den letzten Jahren habe sich in Deutschland leider nur sehr wenig in Sachen Tabakkontrolle getan. Wichtig sei eine Strategie mit klaren Ziel- und Zeitvorgaben, die verpflichtend umgesetzt werden müssten, beispielsweise durch deutliche Steuererhöhungen und einen besseren Nichtraucherschutz. Es gebe immer noch zu viele Ausnahmeregelungen. Für E-Zigaretten und Tabakerhitzer existierten überhaupt keine Vorgaben. Zudem fehle es laut den Experten an niedrigschwelligen Angeboten zur Raucherentwöhnung.Tabakindustrie als Krisengewinner?
Missbrauchtes Label der Raucherentwöhnung
Für wenig geeignet halten die Experten die Strategie der sogenannten „Harm Reduction“, also Empfehlungen, statt der herkömmlichen Zigaretten doch besser E-Zigaretten oder Tabakerhitzer zu benutzen. In Großbritannien wird das zurzeit zwar propagiert, aber dort ist Tabakkontrolle so stark etabliert, dass es dort nur noch darum geht, „die Raucher zu erwischen, die bisher durch die Maschen geschlüpft sind“, erläuterte Dr. Schaller. Und ihr Kollege, Prof. Baumann warnte: „Wir müssen uns hüten, in eine Diskussion abzurutschen, die potenziell gefährliche Produkte einführt unter dem missbrauchten Label einer Raucherentwöhnung.“Quelle: Pressekonferenz des Deutschen Krebsforschungszentrums
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