Diabetes: Insulintherapie regelt sich immer mehr von selbst
Eine Insulinpumpe zusammen mit kontinuierlichem Glukosemonitoring und den Algorithmen zur automatischen Insulinabgabe kommen der Idee eines künstlichen Pankreas in der Diabetesbehandlung heute schon recht nahe. Noch allerdings klappt das mit der vollautomatischen Insulintherapie noch nicht so recht, schreiben Maria Dimou und Kollegen vom Inselspital Bern.
Vollautomatische Abgabe von Mahlzeiteninsulin in Erprobung
Die Patienten müssen bei der Insulindosierung für Mahlzeiten und Korrekturen zusätzlich aktiv mitwirken. Der Grund: Subkutan appliziertes Insulin reagiert mit seinem Wirkeintritt von 60–90 Minuten nicht schnell genug auf einen raschen Blutzuckeranstieg.
Bei den derzeit verfügbaren Hybrid-Closed-Loop-Systemen nimmt der Nutzer die Insulinabdeckung von Mahlzeiten weiterhin selber vor, erläutern die Autoren. Das geschieht, indem er die exakte Kohlenhydratmenge in einen Boluskalkulator eingibt. Alternativ reicht auch die Angabe einer voreingestellten Portionengröße oder – noch einfacher – nur die Ankündigung einer Mahlzeit. Zusätzlich nimmt er in Phasen mit schnellen Glukoseänderungen, beispielsweise bei körperlicher Aktivität, notwendige Korrekturen manuell vor.
Patienten mit Typ-1-Diabetes, die noch über endogene Insulinreserven verfügen, könnten dagegen durchaus mit den vollautomatischen Closed-Loop-Systemen zufriedenstellende postprandiale Blutzuckereinstellungen erreichen, schreiben die Diabetologen. Bei diesen Systemen, die sich bisher allerdings erst in der Erprobung befinden, erfolgt auch die Abgabe von Mahlzeiteninsulin vollautomatisch alleine auf Basis des vom Sensor erfassten Glukoseverlaufs.
Die Evidenz und Sicherheit von Hybrid-Closed-Loop-Systemen bei Typ-1-Diabetikern ist mittlerweile durch zwei Metaanalysen belegt. Demnach erhöhen die Systeme die Zeit im Glukosezielbereich um durchschnittlich 10%, entsprechend 2,4 Stunden täglich, wobei sich vor allem nachts stabile Glukosewerte einstellen. Begrenzt wird die Verfügbarkeit von Closed-Loop-Systemen in der Diabetestherapie vor allem durch aufwendige Zulassungsprozesse mit Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit, erklären die Autoren.
Wirkeintritt verzögert sich durch subkutane Injektion
Engagierte und technikaffine Personen haben deshalb in den letzten Jahren selbst gebaute Closed-Loop-Systeme aus verfügbaren Komponenten entwickelt und die Anleitungen über die sozialen Medien verbreitet. Allerdings erfolgt die Nutzung der drei frei verfügbaren Selbstbau-Algorithmen OpenAPS, LoopAPS und AndroidAPS zusammen mit passender Hardware auf eigenes Risiko ohne Haftungsansprüche, stellen die Diabetologen klar.
Ein weiterer limitierender Faktor bei der Entwicklung eines künstlichen Pankreas ist der verzögerte Wirkeintritt von subkutan verabreichten Insulinen, die nicht rechtzeitig auf Blutzuckerveränderungen durch Mahlzeiten oder körperliche Aktivität reagieren. Ein 2017 in Europa eingeführtes Insulin aspart mit einem 15 Minuten schnelleren Anfluten zeigte in ersten Studien mit Closed-Loop-Systemen bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern noch keinen überzeugenden Nutzen. Eine weitere Option bieten Natrium-Glukose-Kotransporter-Inhibitoren und Glucagon-Like-Peptide-1-basierte Therapien, die den postprandialen Blutzuckeranstieg dämpfen.
Ebenfalls noch im Experimentalstadium befindet sich der zusätzliche Einsatz von Glukagon, das endogene Glukosereserven aus der Leber mobilisiert und dadurch Hypoglykämien besser vorbeugt. Noch sind allerdings die Herausforderungen für diese Dual-Hormone-Closed-Loop-Systeme mit Zweikammerpumpen und sehr komplexen Dosierungsalgorithmen in der Praxis nicht gemeistert.
In greifbarer Nähe befinden sich dagegen neue Hybrid-Closed-Loop-Systeme, die sich besser personalisieren lassen und eine schnelle Anpassung an wechselnden Insulinbedarf ermöglichen. Gearbeitet wird darüber hinaus an kleineren und unauffälligeren Geräten sowie an hautverträglicheren Befestigungsmaterialien.
Quelle: Dimou M et al. Internist (Berl) 2020; 61: 102-109; DOI: 10.1007/s00108-019-00713-y