Arzt-Patienten-Kommunikation Sich vorstellen und den Patienten ausreden lassen ist die halbe Miete

Autor: Kathrin Strobel

Sprechende Medizin hat im Abrechnungssystem kaum einen Stellenwert. (Agenturfoto) Sprechende Medizin hat im Abrechnungssystem kaum einen Stellenwert. (Agenturfoto) © Mustafa – stock.adobe.com

Es gibt viele Wege, mit Worten Unheil anzurichten, sagt der Arzt und Kommunikationsexperte Dr. Mark Weinert aus München. Im Podcast gibt er Tipps dazu, wie sich eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation gestalten lässt.

Eine Minute kann lang sein. Das gilt nicht nur, wenn man die Luft anhält, sagt Dr. Mark Weinert, sondern auch dann, wenn man als Arzt einem Patienten zuhört und weiß, dass im Wartezimmer noch weitere Leute sitzen. Trotzdem sollte man sich diese Zeit nehmen und den Patienten nicht unterbrechen, so sein Rat. Denn fällt man ihm gleich zu Beginn ins Wort, kann das erstens das Vertrauensverhältnis beeinträchtigen und zweitens dazu führen, dass das Gegenüber vollkommen aus dem Konzept gebracht wird. „Die Anamnese ist eine Kunst, die man lernen kann“, so der Kommunikationstrainer. Es gehe darum, innerhalb einer Minute oder sogar weniger eine Beziehung zu seinem Gegenüber aufzubauen. Wenn man sich am Anfang diese Zeit nehme, sei man am Ende schneller fertig und es passierten weniger Fehler.

Viele Ärztinnen und Ärzte vergessen, dass es im Arzt-Patienten-Gespräch häufig die Kleinigkeiten sind, die eine große Auswirkung haben auf die weitere Beziehung – und darauf, ob der Patient wiederkommt oder nicht.

Gespräch trotz knapper Zeit traditionell eröffnen

Es wirke kaum erwähnenswert, so Dr. Weinert, aber zu Beginn des Gesprächs sei es z.B. essenziell, sich selbst und die eigene Funktion vorzustellen. Seiner Erfahrung nach gibt es immer wieder Kolleginnen und Kollegen, die das nicht tun. Damit kann man es sich wirklich schnell verscherzen, mahnt der Arzt.

Die Arbeitsverdichtung ist im medizinischen Sektor deutlich zu spüren. Das betrifft fast jeden, der im Gesundheitsbereich tätig ist. Als Kassenarzt kann man es sich in Deutschland in der Regel nicht leisten, seinen Patientinnen und Patienten viel Zeit einzuräumen. Der Stellenwert der sprechenden Medizin im Abrechnungssystem ist nach wie vor gering.

„Aus meiner Sicht als Kommunikationstrainer ist das Problem riesig“, so Dr. Weinert. „Wenn ich sieben Minuten habe, um mich mit einem Patienten in einer Ambulanz zu unterhalten, für Anamnese, für Aufklärung, für körperliche Untersuchung, dann können diese sieben Minuten schon Luxus sein im Vergleich zu einer Hausarztpraxis.“ In anderen Ländern würden teilweise weit größere Zeitintervalle veranschlagt – zumindest für den Erstkontakt. Das in Deutschland zu fordern, sei allerdings illusorisch. Aber es müsse immer wieder darauf hingewiesen werden, dass es mehr Zeit und eine bessere Vergütung bräuchte für die sprechende Medizin. Denn: „Die Worte, die wir wählen, sind wirksam, und je nach Erkrankung das Wirksamste, was wir den Patienten anbieten können.“

Jedem Patienten mit Neugier begegnen

Auch die eigene Einstellung, mit der man dem Patienten entgegentritt, hat laut Dr. Weinert eine große Bedeutung. Er rät dazu, immer wieder neugierig zu sein. „Wenn jemand zu mir kommt und ich mir denke, ich weiß jetzt schon, was passiert, und ich weiß, was er mir sagen will, dann höre ich nur von dem, was ich mir schon gedacht habe, aber nichts von dem, was vielleicht sonst noch da sein kann.“

Im Podcast erfahren Sie außerdem mehr zu den folgenden Themen: Welche Rolle spielen Empathie und Mitgefühl in der Kommunikation – und wo liegt der feine Unterschied zwischen den beiden Begriffen? Wie sinnvoll ist Multitasking in der Sprechstunde? Was sind kommunikative No-Gos, die es zu vermeiden gilt? Hören Sie rein, es lohnt sich!

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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