Arbeitsbedingungen von Diabetolog*innen Die Nachfrage ist groß – trotzdem die Selbstfürsorge nicht vernachlässigen
Um die Zukunft der Diabetologie macht sich Dr. matthias Kaltheuner, Diabetologe aus Leverkusen und Geschäftsführer von winDiab, wenig Sorgen: „Wir sind in der ambulanten Diabetologie High-End-Leistungserbringer und haben mit unseren Kompetenzen ein klares Alleinstellungsmerkmal.“ Dies gelte beispielsweise für den Umgang mit Diabetestechnologie, deren Vielfalt immer weiter wächst und mit der Angehörige anderer Fachgruppen oftmals klar überfordert sind: „Unsere pädagogische Methodik macht uns kaum einer nach.“
Für die Versorgung unverzichtbar seien aber auch die kommunikativen Fähigkeiten von Diabetolog*innen: „Ich glaube, die meisten anderen Fachgruppen kämen mit unserer Klientel nicht so gut zurecht. Wir hingegen haben gelernt damit umzugehen, dass Menschen ihre Erkrankung selbst managen“, meinte Dr. Kaltheuner. Diese Arbeit trage zur Entlastung des Gesundheitssystems und der Patient*innen bei. Dem diabetologischen Angebot stehe zudem eine deutlich wachsende Nachfrage gegenüber: „Fünf Prozent Wachstum pro Jahr sind der Hammer!“, meinte Dr. Kaltheuner, „auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Kostenträger sich dieses Bedarfs bewusst sind.“
Dies spiegele sich in der sehr variablen Honorarstruktur, sagte der Diabetologe mit Blick auf ein Controlling-Projekt des Berufsverbandes der diabetologischen Schwerpunktpraxen in Nordrhein (BdSN): „Der Wert einer Arztstunde reicht von 50 bis 180 Euro pro Stunde.“
Diabetolog*innen müssen auch auf sich selbst aufpassen
Selbstständige müssten aufgrund ihres unternehmerischen Risikos höhere Einkommen erzielen als angestellte Ärzt*innen, zumal neben der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit auch Zeit für die Nachbearbeitung von Sprechstunden, Management, Fortbildung und Außenkontakte zu berücksichtigen ist. Um die berechtigten Forderungen nach außen zu tragen, sind aus Dr. Kaltheuners Sicht gute Kontakte zu den Krankenkassen und in die Selbstverwaltung deshalb ebenso wichtig wie die Mitgliedschaft im Berufsverband.
Berufliche Zufriedenheit hängt natürlich nicht allein von der Höhe des Honorars ab. So sieht Dr. Kaltheuner große Bestätigung und Wertschätzung durch die Patient*innen, die Arbeit in der Diabetespraxis sei deshalb alles andere als ein unbefriedigender Job: Mit den meisten Patienten könne man gut zurechtkommen, „und wenn sie etwas anders machen als wir es wollen, dann haben sie in der Regel gute Gründe dafür“. Allerdings könne es auch sehr belastend sein, sich den ganzen Tag hindurch mit dem Kummer anderer Leute zu beschäftigen. „Wir müssen deshalb auch auf uns selbst aufpassen“, fand Dr. Kaltheuner.
Doch genau dieser Punkt gibt ihm Anlass zur Sorge: „Selbstfürsorge ist ein großes Thema, doch wir reden einfach nicht darüber“, kritisierte er. Wer sein psychisches und soziales Wohlergehen vernachlässige, sei stärker gefährdet für Burnout, Depressionen oder Alkoholabusus. Und wenn Referent*innen bei Kongressen oder Studienautor*innen ihrer Familie für deren Geduld und Verständnis danken, dann sei das eigentlich nur ein Zeichen dafür, dass sie sich zu wenig um ihre Partner*innen und Kinder kümmern.
Ohne den Unternehmer läuft nun einmal nichts …
Dabei ist Selbstfürsorge auch aus unternehmerischer Sicht unverzichtbar: „Der Unternehmer ist schließlich das Wichtigste in einem Unternehmen, ohne ihn läuft nun einmal nichts“, betonte Dr. Kaltheuner, der seinen Kolleg*innen gleichzeitig dazu riet, sich rechtzeitig um Nachfolger*innen zu kümmern, außerdem den Nachwuchs auszubilden und auch aufgeschlossen für die Delegation und Substitution von Leistungen an nicht-ärztliches Personal zu sein: „Wir können die Arbeit sonst nicht bewältigen und dabei selbst gesund bleiben!“
Kongressbericht: Diabetes Kongress 2022