Virtuelle Diabetesversorgung – mit digitalen Tools ärztliche Ressourcen effizienter nutzen

e-Health Autor: Antje Thiel

Über eine Smartphone-App erhalten Patienten Feedback. Über eine Smartphone-App erhalten Patienten Feedback. © iuriimotov – stock.adobe.com

Angesichts der wachsenden Verbreitung moderner Diabetestechnologie beschleichen die Profis in den Diabetespraxen Zukunftssorgen: „Macht die Technik Ärztinnen und Ärzte demnächst überflüssig? Wer braucht künftig eigentlich noch Diabetesberaterinnen, wenn eine App alle Fragen beantworten kann?“ Antworten gab es auf dem DiaTec-Kongress.

Wann immer sich Experten mit neuen Konzepten und Strategien zur virtuellen Diabetesversorgung beschäftigen, lautet ihr Fazit einmütig: Es geht nicht darum, Diabetologinnen und Diabetologen mit ihren Praxisteams abzuschaffen, sondern deren begrenzte Ressourcen effizienter zu nutzen. Einer von ihnen ist Professor Dr. Thomas­ Danne­, Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult, Hannover, der gemeinsam mit anderen Experten ein internationales Konsensuspapier für die virtuelle Diabetesklinik (VDC) erarbeitet hat.1 „Wir brauchen eine Grundlage für die Diskussion, wie wir das Thema digitale Diabetesversorgung voranbringen und die Möglichkeiten der Telemedizin nutzen können. Das Konsensuspapier kann hierfür Eckpunkte festlegen“, sagte er. Dessen wesentliche Aussagen sind:

  • Die virtuelle Klinik ist für alle Dia­betestypen da.
  • Sie muss dem Selbstmanagement von Menschen mit Diabetes dienen.
  • Die VDC kann die Notwendigkeit persönlicher Treffen reduzieren und dafür die Interaktionen zwischen den Behandlungsterminen intensivieren.
  • Patienten sollten selbst darüber entscheiden, mit wem sie ihre Daten teilen möchten – hierfür ist ein weltweiter Konsens zur Dateneigentümerschaft nötig.
  • Die Übermittlung der Daten aus den unterschiedlichen Quellen zur Integration und Interpretation sollte möglichst einfach und passiv ohne eigenes Zutun der Patienten erfolgen.

Die virtuelle Diabetesklinik berge die Chance, das gesamte Ökosystem zu erweitern und die Behandlungszufriedenheit zu steigern. Gleichzeitig könne sie die Kapazitäten der Gesundheitssysteme erheblich bereichern und damit die Bedürfnisse einer wachsenden Zahl von Menschen mit Diabetes auch in Zeiten von Ärzte- und Fachkräftemangel erfüllen. „Darüber hinaus ermöglicht die Datenbasis der VDC eine Risikostratifizierung bei bestimmten Krankheitsbildern“, erklärte Prof. Danne. Als erste Schritte hin zur VDC nannte er die Etablierung universeller Protokolle und Mechanismen zur Übertragung von Glukose- und Insulindaten über eine cloudbasierte Software. „Das ist wichtig, damit man sich nicht immer wieder in neue Programme einfuchsen muss.“ Die VDC müsse auch mit der elektronischen Gesundheitsakte kompatibel sein.

3. D.U.T.-Report: Trendbarometer und Zukunftswerkstatt

Beim DiaTec-Kongress wurde der Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes (D.U.T.-Report) 2021 vorgestellt. Er enthält die Ergebnisse der jährlichen Umfrage zu Fakten und Trends der Digitalisierung und Technologisierung in der Diabetologie. Dafür wurden erstmals auch Diabetesberaterinnen befragt. So hat die Coronapandemie die Akzeptanz von Videosprechstunden und -schulungen bei Diabetologen verbessert, wobei Diabetesberaterinnen eine größere Bereitschaft gegenüber den neuen Formaten zeigten als ihre Chefs. Daneben enthält der D.U.T.-Report Artikel zu Apps, Telemedizin, Künstlicher Intelligenz, Videoschulungen, elektronischer Patientenakte etc.

„Das ganze Konzept ist wie ein Regelkreis zu sehen“, sagte Prof. Danne. Sobald die Daten vom Device (CGM oder Blutzuckermessgerät) automatisch via Smartphone-App hochgeladen werden, erhält der Nutzer ein Feedback und sieht, dass die Daten in die elektronische Krankenakte übermittelt werden. Das Diabetesteam hat nun Zugriff auf diese automatisch voranalysierten Daten (Ambulantes Glukose Profil, AGP) und kann im nächsten Schritt Kontakt mit dem Patienten aufnehmen, ihm Feedback und Tipps zur Therapieanpassung geben. Die Coronapandemie habe den Wandel hin zur VDC beschleunigt, meinte Prof. Danne: „Anders als in der Erwachsenenmedizin besteht in der Pädiatrie eine gute Ausgangsbasis, da Kinder viel mehr Dia­betestechnologie nutzen.“ So seien 95 % der Kinder mit Insulinpumpen ausgestattet, bei den Erwachsenen sind es nur ca. 30 %. „Während des Lockdowns konnten wir bei den Kindern schnell auf Videokonsultation umsteigen, weil die Eltern die Pumpendaten hochladen konnten.“ Er hofft, dass dies bald auch mit den Daten von Smartpens möglich ist. Um Patienten dabei nicht zu überfordern, sollte man virtuelle Tools schrittweise einführen.

Quelle: DiaTec 2021

1. Phillip M et al. Diabetes Technology & Thera- peutics 2021; DOI: 10.1089/dia.2020.0375