Diabetesprävention: App soll mehr Patienten in Bewegung bringen
Wer ab dem 25. Lebensjahr täglich 10.000 Schritte läuft, verhindert damit nahezu jede chronische Erkrankung – das ist gesunder Lebensstil“, sagt Prof. Schwarz. Und wenn ein Mensch mit Diabetes täglich 1000 Schritte bzw. 600 Meter mehr läuft als bisher, senkt das im Schnitt den postprandialen Blutzuckerspiegel um 1,5 mmol/l (27 mg/dl), berichtet der Internist.
Ärzte und Patienten können sich an Studie beteiligen
Allerdings gehe der „durchschnittliche Sachse“ lediglich 2700 Schritte am Tag. Das bedeute: „Wir sind täglich 23 Stunden und 45 Minuten inaktiv.“
Hier sieht Prof. Schwarz ein großes Potenzial für Veränderung mithilfe digitaler Tools, inklusive Schrittzähler und Motivationselementen. Er selbst ist bei der App „Videa bewegt“ engagiert, der „ersten deutschen Diabetespräventions-App“, wie er sagt. Es handelt sich um ein videobasiertes Bewegungsprogramm, das die Teilnehmer anleitet, ihre Alltagsaktivität im häuslichen Umfeld zu erhöhen und die Kraftausdauer zu trainieren. Mit der App könnten Menschen erreicht werden, die zu keinem Präsenzkurs gehen.
Das Programm orientiert sich an einem klassischen Bewegungskurs. Es hat acht Etappen zu je 45 Minuten und dauert mindestens acht Wochen. Alle deutschen Krankenkassen würden den 130 Euro teuren Kurs bezuschussen, manche bis zu 100 %. Den Eigenanteil könnten Teilnehmer sparen, die an einer Studie teilnehmen: Was bewirkt Videa über 56 Tage oder über zwölf Monate? Wie ist die Wirksamkeit des Motivational Messaging?
Auch alle Kolleginnen und Kollegen bittet Prof. Schwarz um Unterstützung der App und Teilnahme an der Studie. Die Beantwortung der Fragen dauere pro Teilnehmer nur wenige Minuten und werde mit 20 Euro Aufwandsentschädigung belohnt. Informationen zur App und zur Studienteilnahme gibt es auf der Videa-bewegt-Webseite. Prof. Schwarz richtet für Ärzte, die sich das Programm anschauen möchten, Testzugänge ein. Mit einem generierten Code, den der Mediziner an seine Patienten weitergibt, sind Zuordnungen möglich. Es gibt auch Infomaterialien, z.B. Flyer, die in Praxen zur Erläuterung eingesetzt werden können.
Digitale Unterstützung für Lebensstiländerungen
Es geht dem Dresdner Diabetologen nicht nur darum, die Stärken und Schwächen eines Präventionsprogramms zu ermitteln, um dieses zu optimieren. Dass mit digitalen Interventionen Nutzer zu Lebensstiländerungen motiviert werden können, die dann eine HbA1c-Absenkung bewirken können, sei längst nachgewiesen. Wobei es auch künftig nicht „die“ eine App geben wird, die für alle passt, wie Prof. Schwarz betont.
Für „Videa bewegt“ liegt bereits eine Untersuchung vor, die eine Abnahme der pro Tag im Sitzen verbrachten Zeit von sechs auf fünf Stunden und eine signifikante Abnahme des BMI von 25,5 kg/m² auf 24,9 kg/m² innerhalb eines halben Jahres belegt. Auch die körperliche und mentale gesundheitsbezogene Lebensqualität habe sich verbessert. „Das Faulsein wird reduziert“, fasst Prof. Schwarz das Ergebnis zusammen.
Für ihn ist allerdings noch etwas anderes wichtig: „Es gibt keinen digitalen Versorgungspfad in Deutschland. Das heißt: Niemand weiß, dass es eine neue App gibt und wie er sie einsetzen soll.“ Es sei bei diesen Hilfsmitteln eben nicht so wie in der Apotheke, wo der Apotheker den Kunden berät. „Ein App-Store kann das nicht leisten“, sagt der Dresdner Klinikarzt. Mit seinem „Prototypen“ will er ausprobieren, ob sich ein solcher Versorgungspfad „im ärztlichen Setting“ einrichten lässt.
„Wir waren noch nie so nah an den Patienten wie jetzt. Wir sind quasi in ihren Hosentaschen.“ Prof. Schwarz ist überzeugt: „Die Prävention der Zukunft wird zu einem großen Teil digital sein.“ Dafür wünscht er sich einen Strauß an wirksamen Tools.
Quelle: Diabetes Herbsttagung