Rechtsherzinfarkt Die Therapie mit Nitroglycerin ist offenbar doch möglich
Patienten mit einem rechtsventrikulären Infarkt sollen keine Nitrate erhalten. So wollen es die Leitlinien der American Heart Association und der European Society of Cardiology. Dahinter steht die Vorstellung, dass eine Senkung der Vorlast zur klinisch relevanten Hypotonie führen könnte. Ihre wissenschaftliche Begründung ziehen die Empfehlungen der beiden Fachgesellschaften im Wesentlichen aus Studiendaten, die Ende der 1980er-Jahre anhand einer kleinen Gruppe von nur 40 Patienten gewonnen worden waren. Neuere Ergebnisse wecken Zweifel an der Berechtigung der Kontraindikation.
Pro 100 Patienten drei zusätzliche Zwischenfälle
Australische Wissenschaftler identifizierten fünf Studien, die sich mit der Sicherheit von Nitraten in der Therapie der Angina pectoris bei inferiorem und rechtsventrikulärem Myokardinfarkt befassen. Zwei Arbeiten mit zusammen 1.050 Patienten eigneten sich für eine gemeinsame Auswertung. In beiden Studien erfolgte die Therapie mit 400 µg sublingualem Nitroglycerin.
Die Analyse der Daten ergab in Abhängigkeit von der Infarktregion einen numerischen, nicht aber statistisch signifikanten Anstieg des relativen Risikos für unerwünschte Vorfälle von 1,31. Dies entsprach drei zusätzlichen Zwischenfällen pro 100 behandelte Personen. Alle Ereignisse waren geringfügiger und vorübergehender Natur und ließen sich erfolgreich behandeln. Schwere Folgen wie Herzstillstand oder Tod traten nicht auf.
Nach Einschätzung der Autoren sprechen die Zahlen dafür, dass Patienten mit gleichzeitigem inferiorem und rechtsventrikulärem Infarkt sehr wohl mit Nitraten behandelt werden können. Die allgemein akzeptierte, strikte Kontraindikation werde nicht durch aktuelle Evidenz gestützt, schreiben Matt Wilkinson-Stokes von der Universität Melbourne und Kollegen. Dennoch gelte es, den indirekt schmerzlindernden Effekt und die potenzielle Reduktion der sympathischen Aktivierung gegen das Hypotonierisiko abzuwägen. Ein Hypotonus trete aber auch bei Infarkten an anderer Stelle auf. Beheben lassen sich die niedrigen Blutdruckwerte bekanntlich recht einfach mittels Trendelenburg-Lagerung und Flüssigkeitszufuhr, schreiben die Autoren.
Quelle: Wilkinson-Stokes M et al. Emerg Med J 2022; DOI: 10.1136/emermed-2021-212294