Immunantworten gegen GQ1b Ein Autoantikörper, viele Neuropathien
Unter dem Oberbegriff des typischen Anti-GQ1b-Antikörper-Syndroms werden inzwischen vier Erkrankungen zusammengefasst:
- das Miller-Fisher-Syndrom
- die Bickerstaff-Hirnstammenzephalitis
- das Guillain-Barré-Syndrom mit Ophthalmoplegie (GBS-O)
- die akute Ophthalmoplegie ohne Ataxie
Gemeinsames Kennzeichen dGer vier Erkrankungen ist die Augenmuskellähmung, schreibt das Autorenteam um Dr. Sun-Uk Lee vom Seoul National University Bundang Hospital.
Das klassische Miller-Fisher-Syndrom ist die häufigste Erscheinungsform des Anti-GQ1b-Antikörper-Syndroms und gekennzeichnet durch eine Trias aus externer Augenmuskellähmung, Ataxie und Areflexie. Für die pathogenetische Rolle der Autoantikörper spricht, dass sich diese in den ersten ein bis zwei Tagen nach dem Beginn der neurologischen Symptome detektieren lassen.
An einer Ophthalmoplegie leiden auch 15 % der Patientinnen und Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom. Die überlappende Manifestation, GBS-O abgekürzt, macht 20–28 % des Anti-GQ1b-Antikörper-Syndroms aus. Unter den Symptomen dominiert die Muskelschwäche.
Die seltene Bickerstaff-Hirnstammenzephalitis kann klinisch diagnostiziert werden, wenn mentale Veränderungen mit Pyramidenbahnzeichen und Ophthalmoplegie zusammentreffen. Die Bewusstseinsminderung reicht von einer gewissen Benommenheit bis zum Koma. Auch fokale neurologische Defizite und Nystagmus können bestehen. Die kraniale MRT ermöglicht den Ausschluss von Differenzialdiagnosen wie Hirnstamminfarkt, Wernicke-Enzephalopathie und Autoimmunenzephalitis.
Beurteilung der Okulomotorik erlaubt schnelle Diagnose
Manche Personen mit Anti-GQ1b-Antikörpern weisen eine akute Ophthalmoplegie ohne Areflexie oder Ataxie auf. In diesen Fällen ergibt eine Messung von Nervenleitgeschwindigkeit und Liquorparametern nur selten einen pathologischen Befund. Die Beurteilung der Okulomotorik dagegen ermöglicht eine Frühdiagnose vor dem Eintreffen des Antikörperbefunds. Häufig sind beide Augen betroffen (73 %), überwiegend mit einem Abduktionsdefizit. Knapp die Hälfte der Erkrankten leidet zusätzlich an einer Irislähmung.
Neben den vier typischen Anti-GQ1b-Antikörper-Erkrankungen existieren auch atypische Formen ohne Ophthalmoplegie. GQ1b-Ganglioside werden nicht nur in den okulomotorischen Nerven, sondern auch im N. vestibulocochlearis und im N. opticus exprimiert. Bei einem Teil der an peripherer Vestibulopathie Erkrankten lassen sich Anti-GQ1b-Antikörper nachweisen und es finden sich pathologische Ergebnisse in kalorischer Prüfung und Kopfimpulstest. Eine Optikusneuropathie wurde bei erhöhten Titern für Anti-GQ1b-Antikörper bisher allerdings nur selten berichtet. Als weitere atypische Antigangliosid-Antikörper-Erkrankung ist die akute sensorische ataktische Neuropathie zu nennen. Das klinische Bild dieser Form des Guillain-Barré-Syndroms ähnelt dem des klassischen Miller-Fisher-Syndroms, es fehlt jedoch die Augenmuskellähmung.
Die Augenmuskeln sind häufig vollständig gelähmt
Generell gilt, dass Personen mit Antikörpern gegen GQ1b und Ophthalmoplegie mehrheitlich eine binokulare Beteiligung aufweisen – wenn auch häufig in asymmetrischer Form. In 27 % der Fälle ist nur eine Seite betroffen. Oft bestehen Abduktionsdefizite, aber mehr als die Hälfte der Betroffenen hat eine vollständige Augenmuskellähmung. Besonders auffällig beim Anti-GLP1-Antikörpersyndrom ist die Progression der Erkrankung. Rund die Hälfte der Erkrankten hat eine Iridoplegie mit Mydriasis, verminderten Lichtreflexen und Anisokorie. Auch Diplopie und Blickrichtungsstrabismus treten vermehrt auf.
Was die Labordiagnostik betrifft, erreichen die GQ1b-Antikörperspiegel zum Zeitpunkt der klinischen Präsentation einen Gipfel. Im Verlauf der Genesung bilden sie sich rasch zurück. In der ersten Woche nach Symptombeginn sind die meisten Erkrankten antikörperpositiv. Die Titer korrelieren mit dem Schweregrad, insbesondere der Ophthalmoplegie.
Quelle: Lee SU et al. JAMA Neurol 2024; 81: 762-770; doi: 10.1001/jamaneurol.2024.1123