Elektrische Neurostimulation lindert chronische Schmerzen oft besser als Medikamente
Nur 30–40 % aller Patienten mit neuropathischen Schmerzen lassen sich effektiv mit Medikamenten behandeln, erklärte Sebastian Gillner von der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Den übrigen Betroffenen können neuromodulatorische Verfahren einen echten Ausweg aus dem chronischen Schmerz bieten.
Mit Stand März 2021 habe der Suchbegriff „Spinal Cord Stimulation“ knapp 25 000 Treffer in der Pubmed-Datenbank ergeben – ähnlich viele wie zum Thema medizinisches Cannabis. „Und für Cannabis gilt die Evidenz als hervorragend“, betonte der Referent. Nun sage die bloße Zahl an Publikationen natürlich nichts über die Qualität der Arbeiten aus, doch sehr viele der Studien würden sich auf gutem wissenschaftlichem Niveau bewegen und so zum hohen Evidenzgrad der Methode beitragen.
Als Beispiel nannte der Referent das Postlaminektomiesyndrom. Für diese Schmerzerkrankung erzielt die Spinal Cord Stimulation den Evidenzlevel 1+. Denn die Methode zeigt eine größere Schmerzreduktion als die medikamentöse Therapie, eine höhere Kosteneffektivität und eine stärkere Besserung der Lebensqualität, berichtete der Experte.
Entscheidend ist natürlich wie immer die richtige Indikation. Das Spektrum möglicher Einsatzgebiete der verschiedenen elektrischen Neuromodulationsverfahren hat sich in den letzten Jahren enorm erweitert (s. Kasten). „Überall, wo sich ein Nerv befindet, können wir stimulieren.“ Außerdem gibt es inzwischen viele technische Neuerungen und Verbesserungen. Die Therapie gilt heute als komplett reversibel, die Testung gelingt meist perkutan und der Haupteingriff erfolgt in Intubationsnarkose, nicht wie früher bei vollem Bewusstsein.
Auch bei Karpaltunnel- oder Ulnarissyndromen
Die elektrischen Stimulationsverfahren gewinnen aber auch abseits neuropathischer Schmerzen an Bedeutung, berichtete Dr. Richard Ibrahim vom Regionalen Schmerzzentrum der DGS* in München. So konnte die zervikale Applikation bei therapierefraktären Nacken- und Armschmerzen überzeugen. Auch chronische, nicht-voroperierte Rückenschmerzen (Virgin-Back-Schmerz) oder chronische, nicht-radikuläre Schmerzen der Beine sprachen gut darauf an. „Gerade beim Virgin-Back-Schmerz sind wir allerdings zurückhaltend und schöpfen erst die multimodalen Konzepte aus“, sagte Dr. Ibrahim. Nicht vergessen darf man die Peripherie: Karpaltunnel- oder Ulnarissyndrome zählen nach Aussage des Referenten ebenfalls zu den Schmerzzuständen, die für eine elektrische Stimulationstherapie infrage kommen.* Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin
Quelle: Deutscher Schmerz-und Palliativtag 2021 – ONLINE
Welche Indikationen gibt es?
- Post-Laminektomie-Syndrom
- komplexes regionales Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrome, CRPS)
- PAVK
- Angina pectoris
- chronische Leistenschmerzen
- Polyneuropathie
- Post-Zoster-Neuralgie
- chronischer, nicht-voroperierter Rückenschmerz (Virgin-Back-Schmerz)
- Morbus Raynaud
- diverse Kopfschmerzsyndrome
- atypischer Gesichtsschmerz
- Endoprothesenschmerz
- Endometriose