Erhöhtes Risiko für Diabetes und Demenz durch insulinresistente Hirnzellen
Zwischen metabolischen und kognitiven Erkrankungen gibt es wechselseitige Beziehungen. Ein Diabetes erhöht z.B. das Demenzrisiko. Umgekehrt findet man bei Alzheimerpatienten eine verminderte Insulinempfindlichkeit. Wie lassen sich diese Assoziationen erklären? Da das ZNS nicht auf Insulin angewiesen ist, um Glukose zu nutzen, hat man lange angenommen, Insulin spiele zentral keine Rolle.
Dann kam die Erkenntnis, dass das Gehirn in vielen Strukturen – insb. in Hypothalamus, Zerebellum, Kortex und subkortikalen Regionen reichlich mit Insulinrezeptoren ausgestattet ist. Durch die weitere Forschung stellte sich heraus, dass eine ganze Reihe von Hirnfunktionen wie Gedächtnis, olfaktorische Verarbeitung, emotionale Regulation und Essverhalten sowie der periphere Metabolismus durch Insulin moduliert werden.
Seitdem wird angenommen, dass eine zentrale Insulinresistenz die Entwicklung des Typ-2-Diabetes und die bekannten negativen Effekte auf die metabolische Gesundheit von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen vorantreiben könnte.
Tatsächlich lässt sich eine Insulinresistenz im Gehirn nachweisen, z.B. mittels funktionellem MRT. Die exogene nasale Zufuhr von Insulin führt bei normalgewichtigen, nicht aber bei adipösen Menschen zu einer prominenten neuralen Response. Auch im hyperinsulinämisch-euglykämischen Clamp-Test konnte gezeigt werden, dass die insulinstimulierte kortikale Aktivierung bei Normalgewichtigen, aber nicht bei Adipösen stattfindet.
Den direkten Weg ins Gehirn auf olfaktorischen und trigeminalen Bahnen unter Umgehung der Blut-Hirn-Schranke nimmt Insulin, wenn es intranasal appliziert wird. Etwa 30 Minuten später steigt die zerebrale Insulinkonzentration relevant an, während sich peripher kaum etwas tut.
Zentrale Insulinresistenz kann den Appetit beeinflussen
Die Kontrolle der Energie-Homöostase findet v.a. im Hypothalamus statt. Ein postprandialer Anstieg der Insulinkonzentration in dieser Region bedingt eine Abnahme des Blutflusses, die dazu führt, dass die Nahrungsaufnahme gehemmt wird. Bei Krankheitsbild DetailseiteAdipösen fällt die Regulation der hypothalamischen Aktivität schwächer aus.
Ähnliche Zusammenhänge lassen sich im mesokortikolimbischen Kreislauf und im präfrontalen Kortex nachweisen, die beteiligt sind an der Kontrolle von Nahrungsaufnahme und -auswahl („Gelüste“ und Hunger). Dort werden die Insulineffekte vor allem vom Dopaminsystem gesteuert. Die zentrale Insulinaktion könnte somit Belohnungsreize modulieren und damit das Verlangen nach Essen verringern. Eine Insulinresistenz würde durch die Unterdrückung der Dopaminantwort zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme führen.
Der Diät-Faktor Insulin
Quelle: Kullmann S et al. Nat Commun 2020; 11: 1841; DOI: 10.1038/s41467-020-15686-y
Quelle: Kullmann S et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8: 524-534; DOI: 10.1016/S2213-8587(20)30113-3