„Es braucht Wissenschaft, damit wir Hoffnung haben können!“

Autor: Friederike Klein

Prof. Dr. Markus G. Manz, Kongresspräsident der virtuellen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie vom 9.–11. Oktober 2020 und Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie des Universitätsspitals Zürich. Prof. Dr. Markus G. Manz, Kongresspräsident der virtuellen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie vom 9.–11. Oktober 2020 und Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie des Universitätsspitals Zürich. © Alex – stock.adobe.com; Universitätsspital Zürich; DGHO

Die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie sollte ursprünglich vom 9.–12. Oktober in Basel stattfinden. Aufgrund der COVID-19-Pandemie musste die Tagung auf ein virtuelles Hybridformat umgestellt werden. Wir fragten den Kongresspräsidenten Professor Dr. Markus G. Manz nach den Details.

Herr Professor Manz, wann fiel die Entscheidung, dass die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Medizinischen Fachgesellschaften für Hämatologie und Onkologie nicht als Präsenzveranstaltung durchzuführen ist?

Professor Dr. Markus G. Manz: Die Entscheidung fiel im Frühsommer. Es wurde klar, dass ein Kongress dieser Größe im Kontext der aktuellen Pandemiesituation aus vielerlei Gründen – nicht zuletzt aus Gründen der öffentlichen Auflagen – kaum realistisch sein würde. Als Ärzte müssen wir zudem auch an die unmittelbaren Konsequenzen einer möglichen Verbreitung von SARS-CoV-2 durch medizinisches Personal denken.

Wurde auch ein vollständiger Verzicht auf die Jahrestagung diskutiert?

Prof. Manz: Ein vollständiger Verzicht stand nicht zur Diskussion. Dieser Kongress ist ein wichtiger Meilenstein im Jahreskalender der Hämatologen und Onkologen. Der Austausch ist essenziell für lebendige und leistungsstarke Fachgesellschaften. Diskutiert wurde, ob man zum Beispiel auch eine reine Fortbildungsveranstaltung gestalten könnte. Aber es war schnell klar, wir wollen und brauchen einen wissenschaftlichen Kongress. Die bisherigen Rückmeldungen und über 500 Wissenschaftseingaben sprechen dafür, dass dies auch die Meinung unserer Mitglieder und Teilnehmenden ist.

Das Motto der Jahrestagung war und ist „Mehr Wissenschaft – Mehr Hoffnung“. Wie sollte dieses Motto ursprünglich umgesetzt werden?

Prof. Manz: Neben dem üblichen wissenschaftlichen Programm jeder Jahrestagung wurde unser Thema „Mehr Wissenschaft – Mehr Hoffnung“ in der ursprünglichen Planung vor allem in zusätzlichen, interaktiven Symposien und Diskussionsforen zur Präzisionsdiagnostik und -therapie umgesetzt. Diese sehr interaktiven Formate sind leider unter den jetzt notwendigen Rahmenbedingungen nur sehr eingeschränkt möglich und mussten in Teilen gestrichen werden.

Wie spiegelt sich das Motto jetzt im virtuellen Kongress wider?

Prof. Manz: Wir konnten viele Elemente des ursprünglich geplanten Programms in komprimierter Form übernehmen. Das virtuelle Programm ist mit insgesamt 174 Sitzungen, 996 Sprechern und 515 eingereichten Abstracts aus meiner Sicht nun ein starker „Ersatz“ des ursprünglich Geplanten geworden. Auch der DGHO Pflegekongress wurde in ein virtuelles Format übertragen. Zudem widmen wir wichtige Programmteile der aktuellen Pandemie – und hier wird ja gerade für jeden evident: Es braucht Wissenschaft, damit wir Hoffnung haben können!

Welche Herausforderungen waren bei der Umstellung auf einen virtuellen Kongress zu bewältigen?

Prof. Manz: Wir mussten das Programm komplett neu gestalten und stark verdichten. Und wir mussten uns überlegen, was als Live-Stream und wie viel an voraufgezeichneten, allzeit abrufbaren Vorträgen läuft. Herausgekommen ist eine interessante Hybrid-Veranstaltung: Alle Sessions werden von einer Vorsitzenden oder einem Vorsitzenden vor Ort in Basel per Live-Übertragung moderiert. Die Referentinnen und Referenten und der 2. Vorsitz schalten sich per Videokonferenz dazu und stehen für das Online-Publikum für Fragen im Live Chat zur Verfügung.

Und welche Chancen birgt Ihrer Ansicht nach eine virtuelle gegenüber einer Präsenzveranstaltung?

Prof. Manz: Analoge Zusammenkünfte werden immer eine Wertigkeit haben, die nicht durch rein virtuelle Zusammenkünfte ersetzbar sind. Deswegen kommunizieren wir ja auch mit unseren Nächsten und Freunden nicht nur über elektronische Medien, sondern freuen uns besonders am direkten, sozialen Austausch. Das gilt im Prinzip auch für den Austausch mit Arbeits- und Wissenschaftsgemeinschaften. Aber wir lernen jetzt auch, dass Informationsaustausch durch die enormen Fortschritte der Kommunikationsmedien sehr gut digital möglich ist. Selbst lebhafte Debatten können häufig funktionieren. Wir sehen auch, dass die Reduktion der Reisezeiten und (Kongress-)Hotelaufenthalte sowohl persönlich als auch ökologisch gesehen ressourcenschonend sein kann.

Glauben Sie, dass sich 2021 Onkologinnen und Onkologen wieder persönlich bei der Jahrestagung treffen werden?

Prof. Manz: In der Hämatologie und Onkologie brauchen sie jeden Tag viel realitätsnahen Optimismus: Also ja, ich bin zuversichtlich, dass 2021 wieder mehr persönlicher Austausch stattfinden kann!

Medical-Tribune-Interview