Radiojodtherapie Geht nicht nur auf die Schilddrüse
Das differenzierte Schilddrüsenkarzinom (DTC) tritt seit Mitte der 1970er-Jahre immer häufiger auf: In den USA hat sich die Inzidenz bis Mitte der 2010er-Jahre etwa verdreifacht, und parallel nahm die Anwendung der Radiojodtherapie zu. Epidemiolog:innen um Dr. Dr. Elisa Pasqual vom National Cancer Institute, Rockville, wollten wissen, ob dadurch – vor allem bei jüngeren Betroffenen – neben dem bekannten erhöhten Leukämie-Risiko auch die Gefahr für solide Sekundärtumoren steigt.
Die Forschenden nutzten dafür Daten des SEER*-Registers aus neun Regionen der USA zwischen 1975 und 2017. Ausgewertet wurden zunächst etwa 27.000 Patient:innen, die zum Zeitpunkt der Diagnose ihres DTC maximal 45 Jahre alt waren und nach einem medianen Follow-up von 15 Jahren mind. fünf Jahre lang überlebten. 45 % hatten eine Radiojodtherapie erhalten.
Risiko für hämatologische Tumoren erhöht
Das Risiko für die Entwicklung solider Tumoren war gegenüber der nicht mit Radiojod behandelten Kontrollkohorte signifikant um 23 % erhöht (Risk Ratio [RR] 1,23; 95%-KI 1,11–1,37). Aufgeschlüsselt auf einzelne Lokalisationen fiel dies für das Uteruskarzinom signifikant aus (RR 1,55; 95%-KI 1,03–2,32); nicht-signifikante Erhöhungen fanden sich für Speicheldrüsen- (RR 2,15), Magen- (RR 1,61), Lungen- (RR 1,42) und weiblichen Brustkrebs (RR 1,18). Am höchsten war das Risiko bei den Personen, die mind. 20 Jahre überlebt hatten. Dies galt für alle soliden Tumoren (RR 1,47) und für die häufigste maligne Krebsart, das weibliche Mammakarzinom (RR 1,46).
Betrachteten die Forschenden die rund 32.000 Teilnehmer:innen, die ihr DTC mindestens zwei Jahre lang überlebt hatten, so war in der Radiojodtherapie-Kohorte das Risiko für hämatologische Tumoren (RR 1,51; 95%-KI 1,08–2,01) und insbesondere für Leukämien erhöht (RR 1,92; 95-KI 1,04–3,56). Die Autor:innen errechneten, dass geschätzte 6 % der soliden und 14 % der hämatologischen Malignome bei jungen Überlebenden eines DTC auf die Radiojodtherapie zurückgeführt werden könnten. Das sei aber eine konservative Annahme, weil das Studiendesign nicht auf die Schätzung von Risiken über die gesamte Lebenszeit angelegt war.
* Surveillance, Epidemiology and End Results
Quelle: Pasqual E et al. J Clin Oncol 2022; DOI: 10.1200/JCO.21.01841