Gründe für Non-Adhärenz bei älteren Patienten

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Manchmal verschreckt auch die Masse an verordneten Medikamenten die Patienten. Manchmal verschreckt auch die Masse an verordneten Medikamenten die Patienten. © wernerimages – stock.adobe.com

„Natürlich habe ich meine Tabletten weitergenommen.“ Manche Patienten lügen ganz bewusst, wenn sie das behaupten. Andere wiederum verstehen unter „regelmäßiger Einnahme“ vielleicht etwas anderes als ihr Arzt ...

Vor der elektiven Osteosynthese des Sprunggelenkes beteuerte die 69-Jährige, ihre antihypertensiven Medikamente zuverlässig eingenommen zu haben. Was sie darunter verstand, entdeckte erst der Narkosearzt. Er fand bei der Einleitung der Anästhesie mehrere Tabletten, aufgeklebt auf die Haut des Handgelenks und des Rückens. Die Begründung der Frau: Sie verbrauche so weniger Medikamente und spare Geld.

Diese eigenwillige Form der Malcompliance ist sicherlich eher selten. Doch gerade bei geriatrischen Patienten unter Polypharmazie müsse man auf den kompletten Variantenreichtum an mangelhafter Therapietreue gefasst sein, schreiben ­Fabia ­Büttcher vom Institut für Anästhesie am ­Zuger Kantonsspital in ­Baar und Professor Dr. ­Christoph ­Konrad von der Klinik für Anästhesie am Luzerner Kantonsspital.

Perioperativ die Kontrolle behalten

Zu hohe Blutdruckwerte können im Zuge von Operationen zu Problemen führen. Als Referenz können in der Praxis oder über 24 Stunden hinweg gemessene Werte gelten. Während der Operation soll der Druck dann nicht mehr als 10 % abweichen. Am besten setzen die Betroffenen ihre Therapie mit Betablockern ebenso fort wie mit allen anderen Antihypertensiva. Ausnahme bilden ACE-Hemmer und AT1-Blocker; vor großen Eingriffen mit voraussichtlich hohem Blutverlust oder bei Kombinationsnarkosen mit Periduralanästhesie kann es sinnvoll sein, sie zu pausieren. Eine Operation zu verschieben, halten die Autoren nur in Fällen von unkontrollierter Grad-3-Hypertonie oder neu entdeckten Endorganschäden für erforderlich. Bei systolischen Werten < 180 mmHg und diastolischen < 110 mmHg könne der Chirurg wie geplant ran.

Es ist nicht nur Vergesslichkeit, auch nachlassende Feinmotorik, Schwierigkeiten beim Teilen von Tabletten, Verwechslungen durch verminderte Sehfähigkeit oder Probleme beim Schlucken können eine regelkonforme medikamentöse Therapie bei Älteren verhindern. Und natürlich gilt: Je mehr Pillen die Patienten nehmen müssen, umso weniger machen sie mit. Bei einer einzigen verordneten Tablette liegt die Nicht-Adhärenz noch unter­ 10 %, bei dreien steigt sie schon auf 40 %. So oft es geht, sollte man daher Kombinationspräparate verordnen, raten die Schweizer Kollegen.

Quelle: Büttcher F, Konrad CJ. Swiss Med Forum 2020; 20: 581-583; DOI: 10.4414/smf.2020.08490