Masern Herdenimmunität noch nicht erreicht
In den Pandemiejahren 2020 bis 2022 wurden hierzulande jeweils 78, 8 und 15 Masernfälle gemeldet. 2023 waren es 79 Erkrankungen und in der kurzen Spanne vom 1. Januar bis zum 15. März 2024 bereits 94. Damit ist das Niveau der Zeit vor COVID-19 aber noch nicht wieder erreicht, beruhigen Dr. Dorothea Matysiak-Klose und Prof. Dr. Annette Mankertz vom RKI in Berlin. Zum Vergleich: 2019 wurden 516 Fälle registriert. Andere europäische Länder verzeichnen aktuell teils wesentlich höhere Zahlen.
Großteil der Fälle aus dem östlichen Ausland importiert
Regionale Häufungen beruhen hierzulande überwiegend darauf, dass das Virus in Familien mit insuffizienter Impfquote gelangt. Glück im Unglück: Die Infektionsketten brechen spätestens nach einigen Wochen wieder ab. Das zeigt die inzwischen mögliche Analyse der genetischen Sequenzvarianten des Erregers. Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung spielt auch die Situation im Ausland: Im Jahr 2023 stufte das RKI 66 der 79 registrierten Masernfälle als importiert oder importassoziiert ein. Mögliche Herkunftsländer sind z.B. die Türkei, Russland, Rumänien und Kasachstan. Endemische Transmissionen wurden in Deutschland bisher nicht verzeichnet.
Ein Grund für die rasche Beendigung der Infektionsketten ist wahrscheinlich die relativ hohe Immunität in der Bevölkerung. Bei den Schuleingangsuntersuchungen im Jahr 2020 hatten 97,2 % der Kinder eine erste Impfstoffdosis erhalten und 92,7 % auch die zweite. Das bedeutet aber noch keine Entwarnung, meinen die Experten: Aktuelle Daten der kassenärztlichen Vereinigungen zufolge hatten z.B. nur 85,8 % der 15 Monate alten Kinder des Geburtsjahrgangs 2018 eine MMR-Impfung erhalten. Um die Fallzahlen niedrig zu halten und eine Herdenimmunität zu erreichen, sollten aber alle Personen, für die die STIKO die Masernimpfung empfiehlt, diese rechtzeitig erhalten. So werden auch Menschen geschützt, die zu krank oder zu jung für eine Vakzination sind.
Infektion via PCR und IgM-Serologie bestätigen
Außerdem muss jeder klinische Masernverdachtsfall umgehend dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden, damit dieses die notwendigen Gegenmaßnahmen einleiten kann. Alle Erkrankungen sollen mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und IgM-Serologie bestätigt werden. Der Nachweis des Virusgenoms gelingt sicher im Rachenabstrich oder Urin, sofern die Proben innerhalb von sieben Tagen nach dem Beginn des Exanthems untersucht werden. Allerdings lassen sich ein bis drei Tage nach der Manifestation des Exanthems bei bis zu 30 % der Erkrankten noch keine virusspezifischen IgM-Antikörper detektieren.
Wenn die PCR positiv ausfällt, kann die auslösende Sequenzvariante bestimmt werden. Die Nachverfolgung von Kontaktpersonen, Kontrolle ihrer Immunität und Riegelungsimpfungen (bzw. die Gabe von Immunglobulin) verhindern eine weitere Ausbreitung des Virus. Außerdem sollte man mögliche Gründe der Exposition erfragen, also z.B. Reisen (auch im Inland) und ein möglicher Kontakt mit anderen Erkrankten. So lassen sich die Infektionsketten erfassen.
Quelle: Matysiak-Klose D, Mankertz A. Epid Bull 2024; 15: 3-7; DOI: 10.25646/12030