Von den Socken Im Internet propagiertes Hausmittel verursachte Verätzungen an Kinderfüßen
Wegen Husten, Fieber und „blauen Füßen“ brachte eine Frau ihren neun Monate alten Säugling in die Notaufnahme. Die „blauen Füße“ entpuppten sich als streifig betonte unregelmäßige Verätzungen im unteren Bereich der Unterschenkel. Auf Nachfrage gab die Mutter an, eine Methode zum Fiebersenken im Internet gefunden und ausprobiert zu haben. Dazu hatte sie Söckchen in Essig getränkt und dem Baby über Nacht angezogen, berichtet eine Autorengruppe um Dr. Sabrina Ahrens, Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln.
Dieselbe Prozedur hatte eine Mutter bei ihrer vierjährigen Tochter angewandt. Daraufhin hatte der betreuende Pädiater das Mädchen wegen Läsionen an beiden Füßen in die Notaufnahme überwiesen. Auch bei diesem Kind wurden Verätzungen diagnostiziert.
Zeitweise stand Verdacht auf Kindesmisshandlung im Raum
In einem dritten Fall rätselte man eine Weile über die Ursache der streifenförmigen Läsionen an beiden distalen Unterschenkeln einer Dreijährigen. Die Familie wurde wegen des Verdachts auf Kindesmisshandlung von der Kinderschutzambulanz mitbetreut. Später berichtete die Mutter, dem Kind Söckchen mit einer Mischung aus Wasser und Essig für 30 Minuten angezogen zu haben, um das Fieber zu senken.
Nicht an den Füßen, sondern im Windelbereich sorgte die Essigtherapie bei einem eineinhalb Jahre alten Jungen für Hautveränderungen. Auch in diesem Fall tappte man bei der konsultierten Klinik zunächst im Dunkeln und tippte auf Verbrennungen. Schließlich berichtete die Mutter, dass sie einen mit Essig getränkten Lappen für vier bis fünf Stunden in die Windel gelegt hatte.
In den ersten drei Fällen wurde vermutlich Essigessenz mit einem Säuregehalt zwischen 20 % und 25 % verwendet, im vierten Fall verdünnter Apfelessig. Tatsächlich kursiert in diversen Internetratgebern die Empfehlung, Essigsöckchen zur Fiebersenkung anzuwenden, schreibt das Autorenteam. Auf mögliche Probleme bei dieser Behandlung würde dabei nicht hingewiesen. Allerdings findet man mehrfach den Rat, die Methode nur bei Kindern ab einem Jahr zu nutzen sowie Apfelessig verdünnt und nur kurz (10–15 Minuten) anzuwenden.
Bereits 4- bis 5%ige Essigsäure kann Schaden anrichten. Laut einer Studie kann diese Konzentration Verätzungen bei Neugeborenen und Kindern verursachen. Neben der Konzentration ist die Einwirkzeit ein wichtiger Faktor für das Ausmaß des Schadens.
Möglicherweise sind diese Fälle nur die „Spitze des Eisbergs“, mutmaßen die Autorinnen und Autoren, weil bei derartigen Verletzungen nicht immer eine Praxis oder Klinik aufgesucht wird. Auf jeden Fall sollte man Eltern dazu raten, bei Fieber nur Wadenwickel mit kühlem Wasser zu verwenden und die Finger von Essig zu lassen. Die Kinder in den beschriebenen Fällen litten nicht unter länger anhaltenden Beeinträchtigungen, eine Narbenbildung sei aber nicht auszuschließen.
Quelle: Ahrens S et al. Rechtsmedizin 2024; 34: 261-264; DOI: 10.1007/s00194-024-00704-w