Stürzen im Alter vorbeugen Im Wesentlichen kommt’s auf Gangstabilität, Balance und Kraft an

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Allen guten Ratschlägen zum Trotz bewegen sich die meisten älteren Menschen nach wie vor viel zu wenig. (Agenturfoto) Allen guten Ratschlägen zum Trotz bewegen sich die meisten älteren Menschen nach wie vor viel zu wenig. (Agenturfoto) © Andrey Popov – stock.adobe.com

Wer im Alter fit bleibt, stürzt seltener. Und so gilt es in erster Linie, seine älteren Patientinnen und Patienten in Bewegung zu bringen. Multifaktorielle Interventionen zur Sturzprophylaxe sind zwar gut gemeint, aber weitgehend fruchtlos.

Stürzt ein älterer Mensch, kann das eine ganze Reihe von Gründen haben. Möglicherweise liegen dem Sturz allgemeine Schwäche, Gebrechlichkeit oder Gleichgewichts-, Wahrnehmungs- oder Sehstörungen zugrunde. Vielleicht sind auch Medikamente, eine akute Erkrankung oder eine unpassend eingerichtete Wohnung die Ursache.

Zahlen aus den USA belegen, dass dort etwa ein Viertel der älteren Erwachsenen mindestens einmal pro Jahr ungewollt zu Boden geht. Mehr als jeder Dritte verletzt sich dabei. In den vergangenen zehn Jahren hat in den USA die altersadjustierte Rate an Stürzen mit tödlichem Ausgang um 40 % zugenommen, berichtet eine Autorengruppe um Dr. Janelle Guirguis-Blake, Kaiser Permanente in Portland.

Expertengruppe rät in erster Linie zu Bewegung

Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) hat die Studien zu diesem Thema ausgewertet. Das Expertengremium empfiehlt für selbstständig lebende Menschen ab 65 Jahren mit Sturzrisiko vornehmlich Bewegungsinterventionen. Die Datenlage zeige, dass gezieltes Körpertraining – typischerweise sind das Kurse mit Fokus auf Gangstabilität, Balance und die Stärkung von Rumpf- und Beinmuskulatur – die Sturzgefahr signifikant reduziert. Multifaktorielle Interventionen, bei denen eine Vielzahl an Maßnahmen erarbeitet wird, hatten hingegen einen eher geringen Nutzen.

Nach Ansicht der Expertengruppe sollten Ärztinnen und Ärzte in der Primärversorgung daher allen sturzgefährdeten Patientinnen und Patienten zu Bewegungsübungen raten. Multifaktorielle Interventionen – etwa Modifizierungen im räumlichen Umfeld, Ernährungsberatung, Kognitionstraining – zieht man besser nur von Fall zu Fall in Betracht.

Größtes Problem bei der Sache ist und bleibt aber die Umsetzung, merken Dr. David Reuben und Dr. David Ganz, beide University of California in Los Angeles, in einem Editorial an. Die beiden monieren, dass die Empfehlungen der Task Force hierfür keine Lösung anbieten. Es sei unbestritten, dass Bewegung nicht nur als Sturzprävention positive Effekte erzielt, sondern auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der Kognition sowie der allgemeinen, der kardiovaskulären und der krebsassoziierten Sterblichkeit. Doch soll der Fokus eher auf dem Gleichgewichtstraining liegen? Soll man zu Ausdauerübungen raten? Oder ist Kraftsport vorzuziehen?

Allen guten Ratschlägen zum Trotz bewegen sich die meisten älteren Menschen nach wie vor viel zu wenig. Dr. Reuben und Dr. Ganz verweisen darauf, dass US-amerikanische Seniorinnen und Senioren in den Jahren 2013 und 2014 durchschnittlich 7,9 Stunden pro Tag im Sitzen verbracht haben.

Noch schwieriger ist es bei den multifaktoriellen Interventionen. Denn die umfassen typischerweise ein ganzes Bündel an Maßnahmen, darunter konkrete Verhaltensänderungen. In einer großen Untersuchung war aber beispielsweise nur ein Drittel der älteren Menschen bereit, über eine geänderte Lebensführung etwa den Bedarf an Hypnotika zu senken.

Quellen:
1. Guirguis-Blake JM et al. JAMA 2024; 332: 58-69; DOI: 10.1001/jama.2024.4166
2. US Preventive Services Task Force. JAMA 2024; 332: 51-57; DOI: 10.1001/jama.2024.8481
3. Reuben DB, Ganz DA. JAMA 2024; 332: 19-20; DOI: 10.1001/jama.2024.9063