Herzinsuffizienz-Therapie Immer noch schön der Reihe nach?

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Nach der Leitlinie von 2021 sollte die Therapie der Herzinsuffizienz mit allen vier Medikamenten gleichzeitig gestartet werden, in der Praxis ist jedoch noch vieles beim Alten. Nach der Leitlinie von 2021 sollte die Therapie der Herzinsuffizienz mit allen vier Medikamenten gleichzeitig gestartet werden, in der Praxis ist jedoch noch vieles beim Alten. © TuMeggy – stock.adobe.com

Wie gehen Kardiologen heute bei der Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz vor? Sequenzielle Therapie oder simultaner Start mit vier Medikamenten? Ein Jahr nach der Veröffentlichung der ESC-Leitlinien scheint noch vieles beim Alten zu sein.

Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion reduzieren Medikamente aus vier verschiedenen Klassen nachweislich Morbidität und Mortalität:

  • Blocker des Renin-Angiotensin-Systems (ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker, ARNI*)
  • Betablocker
  • Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten
  • SGLT2-Inhibitoren

Nach der ESC**-Leitlinie von 2021 sollte die Therapie mit allen vier Wirkstoffen gleichzeitig begonnen werden. Dr. ­Charles ­Fauvel von der Universität ­Rouen und Kollegen haben nun in einer weltweiten internetbasierten Befragung untersucht, wie die neuen Leitlinien­empfehlungen ein Jahr nach ihrer Publikation umgesetzt werden. Von den 615 Kardiologen, die detailliert Auskunft gaben, arbeiteten 58 % an einer Universitätsklinik, 26 % waren Spezialisten für Herzinsuffizienz. 

Die meisten der Kardiologen (61 %) würden demnach mit der Behandlung starten, wenn die linksventrikuläre Ejektionsfraktion bei ≤ 40 % liegt. Allerdings bevorzugt die Mehrzahl das vormals empfohlene sequenzielle Vorgehen, anstatt eine neue Sequenzierung oder einen gleichzeitigen Start aller Wirkstoffklassen zu erwägen. Dabei spiegelt der „historische“ Ansatz eigentlich nur die Reihenfolge des Nachweises einer Prognoseverbesserung in klinischen Studien wider.

Beim sequenziellen Ansatz mit einem RAS-Blocker zu beginnen, betrachten 74 % als korrektes Vorgehen. Für einen Betablocker als zweite Substanz sprachen sich 55 % aus, für Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten als dritte 52 %, für einen SGLT2-Inhibitor an vierter Stelle 53 %. Einen SGLT2-Inhibitor würden lediglich 16 % schon an die zweite Position setzen.

Auftitration binnen vier Wochen als realistisches Ziel

Immerhin: Eine Mehrheit von 58 % hält es für wichtiger, zunächst neue Medikamente hinzuzufügen, als die Dosis bereits begonnener zu erhöhen. Zudem erscheint es für den größten Teil der Befragten (84 %) durchaus machbar, während des ini­tialen Krankenhausaufenthalts eine Behandlung mit allen vier Medikamenten zu starten. Bezüglich der Dauer der Auftitration halten 44 % einen Monat für realistisch, 31 % veranschlagen hierfür sechs Monate, die übrigen meinen, hierfür weniger als einen Monat zu benötigen.

Quelle: Fauvel C et al. Eur J Heart Fail 2022; DOI: 10.1002/ejhf.2743

* Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren
** European Society of Cardiology