Diabetes Je mehr Sport, desto unwahrscheinlicher werden Komplikationen
Menschen mit Diabetes haben bekanntlich ein hohes Risiko für makrovaskuläre Komplikationen wie koronare Herzkrankheit (KHK), zerebrovaskuläre Ereignisse oder Herzinsuffizienz, aber auch für mikrovaskuläre Komplikationen wie Retinopathie, Nephropathie oder Neuropathie. Dass körperliche Aktivität einem Typ-2-Diabetes vorbeugen kann, ist längst hinreichend wissenschaftlich belegt. Inwiefern Sport Menschen mit bereits manifestem Diabetes vor diabetesassoziierten Folgeerkrankungen schützt, ist allerdings deutlich weniger gründlich erforscht. Gleiches gilt für die Frage nach der optimalen Trainingsintensität.
Um diese Wissenslücke zu schließen, unterzog ein Forscherteam um Marlene Rietz vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf, einem Partner im DZD, 31 thematisch relevante prospektive Studien einer Metaanalyse.
MET-Stunden als Maß für die sportliche Aktivität
Alle Untersuchungen hatten den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und der Inzidenz verschiedener Diabeteskomplikationen geprüft. Als Maß für die sportliche Aktivität der Studienteilnehmenden wählten die Forschenden das metabolische Äquivalent (s. Kasten). Hierzu rechneten sie die Art, Dauer und Intensität der Belastungen in MET-Stunden pro Woche um.
Das Metabolische Äquivalent (MET)
Das metabolische Äquivalent gibt die Leistung (= den Kalorienverbrauch) von Aktivitäten als ein Vielfaches des Ruheumsatzes an (Sauerstoffaufnahme in Ruhe vs. Sauerstoffaufnahme bei Belastung). Es zeigt damit an, wie intensiv die körperliche Belastung ist. 1 MET entspricht dem Sauerstoffverbrauch in vollkommener Ruhe. Leichte Hausarbeit ergibt etwa 2,5 MET, Spazierengehen etwa 3 MET, gemächliches Radfahren rund 4 MET, Joggen oder Fußball zirka 7 MET.
Die in den USA, Europa, Asien und Australien durchgeführten Studien hatten Erwachsene mit einem Typ-1- und/oder Typ-2-Diabetes eingeschlossen und waren zwischen 1995 und 2021 publiziert worden. Sechs Untersuchungen wiesen ein mäßiges und 25 ein hohes Verzerrungsrisiko auf. Dieses bestand hauptsächlich darin, dass in den Primärstudien nicht alle potenziellen Störvariablen berücksichtigt worden waren und dass die körperliche Aktivität mit nicht-validierten Instrumenten erfasst worden waren.
Die Metaanalyse der Studiendaten ergab: Sportlich sehr aktive Menschen mit Diabetes hatten im Vergleich zu wenig aktiven ein um 16 % geringeres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, wobei das Risiko pro 10 MET-Stunden pro Woche intensiverer Belastung um 3 % abnahm. Sie entwickelten ferner 16 % seltener eine koronare Herzkrankheit, 26 % seltener zerebrovaskuläre Ereignisse, 24 % seltener eine Herzinsuffizienz und 18 % seltener kardiovaskuläre Major-Ereignisse.
Intensive sportliche Belastungen wirken protektiv
Auch im Hinblick auf die kardiovaskuläre Mortalität erwiesen sich intensive sportliche Belastungen als protektiv: Die besonders Aktiven hatten im Vergleich zu den wenig Aktiven ein um 38 % geringeres Sterberisiko, wobei dieses pro 10 MET-Stunden pro Woche um 18 % abnahm. Die stärkste Mortalitätsreduktion ergab sich bei 40 MET-Stunden pro Woche.
Weiterhin senkte hohe körperliche Aktivität aber auch das Risiko für mikrovaskuläre Diabetesfolgen: Das Risiko hierfür war um 24 % geringer (Risikoabnahme pro 10 MET-Stunden pro Woche um 7 %). Die intensiv Sporttreibenden erkrankten zudem um 32 % seltener an einer Retinopathie (Risikoabnahme pro 10 MET-Stunden pro Woche um 5 %).
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt für Erwachsene mit chronischen Erkrankungen mindestens 150 bis 300 Minuten mäßig intensive aerobe bzw. 75–150 Minuten intensive körperliche Aktivität pro Woche. Dies entspricht etwa 8,25 bis 16,5 MET-Stunden pro Woche. Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass beim Diabetes Belastungen zwischen 20 und 40 MET-Stunden pro Woche offenbar am besten vor makro- und mikrovaskulären Spätfolgen schützen. Aber auch geringere Aktivitäten senken das Komplikationsrisiko. Ihr Fazit: Beim Diabetes zahlt sich jeder Schritt in Richtung eines aktiveren Lebensstils aus. Weitere Studien müssen nun diese Beobachtungen bestätigen.
Literatur: Rietz M et al. Diabetes Care 2022; 45(12):3101-3111; DOI: 10.2337/dc22-0886