Sport im Alter: Bewegung lohnt sich auch für Hochbetagte
Ab Mitte Fünfzig geht es bergab mit der körperlichen Aktivität. Ob Sport, anstrengende Belastungen oder einfach nur Spazierengehen: Mit dem Älterwerden bewegen wir uns immer weniger und büßen mehr und mehr an physischer Leistungsfähigkeit ein. Das führt dazu, dass die körperliche Aktivität weiter sinkt und sich der Alterungsprozess beschleunigt. Die Folge: Funktionsverluste in allen Organsystemen und Geweben und altersassoziierte Erkrankungen.
Inaktivität ist ein hochsignifikanter Risikofaktor für kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen sowie chronisch-inflammatorische Veränderungen des Immunsystems, schreiben Dr. Jonas Zacher und seine Kollegen vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln.
Herz und Gefäße
Im Alter nehmen sowohl primär kardiovaskuläre Veränderungen als auch Komorbiditäten, die kardiovaskuläre Folgeschäden nach sich ziehen, zu. Bewegungsmangel verstärkt diese Abwärtsspirale. Regelmäßige Bewegung hingegen hat nachweislich kardioprotektive Effekte. Denn gezieltes Training verbessert neben der Elastizität der Arterien auch die diastolische Funktion des linken Ventrikels und die endotheliale Funktion. Das wiederum wirkt sich positiv auf den Blutdruck aus und reduziert mögliche Atherosklerosefolgen sowie die Anfälligkeit für Herzrhythmusstörungen.
Stoffwechsel und Muskulatur
Während mit den metabolischen Veränderungen im Alter die Muskelmasse und Muskelkraft bei jedem Menschen abnimmt (Sarkopenie), steigt gleichzeitig die absolute Fettmasse bei vielen deutlich an (sarkopenische Adipositas). Altersabhängige degenerative Prozesse wie eine reduzierte Durchblutung, mitochondriale Dysfunktion oder eine verminderte Insulinsensitivität werden durch die Inaktivität verstärkt.
Wie verschiedene Bettruhestudien zeigten, führt Bewegungsmangel neben der Insulinresistenz zu einer reduzierten Fettoxidation, was die Lipidwerte im Blut und im Muskel ansteigen lässt. Das erklärt, warum Inaktivität mit der Prävalenz eines metabolischen Syndroms korreliert. Sport und Bewegung hingegen können dem Verlust von Muskelmasse und Mitochondriendefekten entgegenwirken. Am effektivsten ist die Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining (siehe Kasten). Sogar für Hochbetagte lohnt es sich, im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit dem Sporttreiben zu beginnen. So genügt es zum Beispiel bei über Siebzigjährigen, wenn sie einmal pro Woche bestimmte Formen der körperlichen Aktivität mit geringer Intensität ausüben, um ihr Diabetesrisiko zu senken.
Aktivitäten gezielt einplanen
- Zu empfehlen ist ein regelmäßiges moderates Ausdauertraining, hochintensives Intervallausdauertraining und Krafttraining. Besonders gute Effekte zeigt die Kombination von Ausdauersport mit Kraftübungen.
- Als Ziel sollten 150 Minuten moderate Belastung pro Woche gelten oder wöchentlich 75 Minuten intensiveres Training.
- Ab dem 35. Lebensjahr empfiehlt sich vor der (Wieder-)Aufnahme sportlicher Aktivität eine sportmedizinische Untersuchung. Das gilt insbesondere bei kardiovaskulären Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder einer familiären KHK-Belastung.
- Körperliche Anstrengungen sollen ihren festen Platz im Alltag haben: längere Sitzphasen unterbrechen, Hausarbeit oder kleinere Spaziergänge einschieben etc.
Immunsystem
Im Alter verändert sich das Immunsystem (Immunseneszenz) und chronische Entzündungsprozesse werden häufiger. Dadurch steigt das Risiko u.a. für Infekte, Krebs oder Sarkopenie. Da die Skelettmuskulatur ein wichtiger antiinflammatorischer und immunprotektiver Regulator ist, können sich bei Inaktivität ihr Abbau und die Alterung des Immunsystems gegenseitig ungünstig beeinflussen. Dieser negative Kreislauf lässt sich mithilfe von geplantem regelmäßigem Sport unterbrechen. Aerobes Ausdauertraining wirkt sich beispielsweise positiv auf die Regulation proinflammatorischer Zytokine und natürlicher Killerzellen aus. Auch epigenetische Veränderungen werden durch gezieltes körperliches Training, das dem Funktions- und Massenerhalt der Muskulatur dient, beeinflusst.Quelle: Zacher J et al. internistische praxis 2020; 62: 472-481